III. Verwirkung als Privatstrafe.
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kommt die Verwirkung mit der Einbehaltung überein, nur dal diese
ausnahmslos ausbedungen sein mul (S. 433 vgl. 4351). Die die Ver-
wirkung festsetzende Privatverfügung kann der individuelle Arbeits-
vertrag sein, oder die generelle Disposition einer Arbeitsordnung oder
eines Tarifvertrags, aus denen die die Verwirkung betreffende Be-
stimmung sich ohne weiteres dem Arbeitsvertrag mitteilt‘. Die ein-
seitige Erklärung des Lohnschuldners, d.i. des Arbeitgebers, kann
nicht die Folge der Verwirkung haben, während er durch einseitige
Erklärung aufrechnen oder zurückbehalten kann. Die Verwirkung
kann sich nur auf einen Vertrag von Arbeitgeber und Arbeitnehmer
gründen, auch wenn dieser Vertrag den auf die Verwirkung sich be-
ziehenden Inhalt durch die ‚einseitige Arbeitsordnung des Arbeitgebers
erhalten hat. Aufserdem kann die einseitige Erklärung des Arbeit-
gebers, welche Verwirkung ausspricht, sich nur auf die bereits
eingetretene Verwirkung beziehen und nur die S. 454 al. 1 erwähnten
Bedeutungen haben. Wenn wir von einem Arbeitgeber lesen 2. daß
er „sich wegen des Kontraktbruches dadurch schadlos gehalten hatte,
dafs er einen durchschnittlichen Wochenverdienst für verwirkt
erklärt hatte“: so kann das nur entweder den eben angegebenen
Sinn haben, oder bedeuten, dal er die ihm aus dem Kontraktbruch
gegen den kontraktbrüchigen Arbeitnehmer nach GewO. $ 124b zu-
stehende Forderung geltend gemacht hat?. Dagegen des Arbeit-
nehmers Forderung eines Wochenverdienstes kann nicht einseitig
vom Arbeitgeber für verwirkt erklärt werden, d.h. eine solche Er-
klärung hat nicht die Rechtsfolge der Verwirkung. .
Von der Zurückbehaltung und von der Einbehaltung unterscheidet
sich die Verwirkung dadurch, dal jene nur dilatorisch wirken, indem
der Zurückbehaltende wie der Einbehaltende die Entrichtung des
Lohnes nur einstweilen verweigert oder hinausschiebt, wogegen die
Verwirkung definitiv oder peremtorisch in die Lohnforderung eingreift,
sie (gänzlich oder teilweise) vernichtet.
XI. Die Verwirkung des Lohnes ist für den Arbeitnehmer ein
Übel, ein Vermögensnachteil, der ihn für den Fall eines gewissen
von ihm ausgehenden Verhaltens trifft, und sie ist andererseits in
1 Auf den Ursprung der Verwirkung aus Arbeitsordnung oder aus Arbeits-
vertrag nimmt Bezug GewO. $ 134% Nr. 5: „Die Arbeitsordnung mufs Be-
stimmungen enthalten: 5. sofern die Verwirkung von Lohnbeträgen
nach Mafsgabe der Bestimmung des $ 134 Abs. 2 durch Arbeitsordnung
oder Arbeitsvertrag ausbedungen wird. ..“
3 Bericht der badischen Fabrikinspektion für 1897 S. 51.
3 Letzteres setzt nach GewO. 8 134 Abs. 2 einen kleineren Betrieb voraus.