Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

III. Verwirkung als Privatstrafe. 
455 
kommt die Verwirkung mit der Einbehaltung überein, nur dal diese 
ausnahmslos ausbedungen sein mul (S. 433 vgl. 4351). Die die Ver- 
wirkung festsetzende Privatverfügung kann der individuelle Arbeits- 
vertrag sein, oder die generelle Disposition einer Arbeitsordnung oder 
eines Tarifvertrags, aus denen die die Verwirkung betreffende Be- 
stimmung sich ohne weiteres dem Arbeitsvertrag mitteilt‘. Die ein- 
seitige Erklärung des Lohnschuldners, d.i. des Arbeitgebers, kann 
nicht die Folge der Verwirkung haben, während er durch einseitige 
Erklärung aufrechnen oder zurückbehalten kann. Die Verwirkung 
kann sich nur auf einen Vertrag von Arbeitgeber und Arbeitnehmer 
gründen, auch wenn dieser Vertrag den auf die Verwirkung sich be- 
ziehenden Inhalt durch die ‚einseitige Arbeitsordnung des Arbeitgebers 
erhalten hat. Aufserdem kann die einseitige Erklärung des Arbeit- 
gebers, welche Verwirkung ausspricht, sich nur auf die bereits 
eingetretene Verwirkung beziehen und nur die S. 454 al. 1 erwähnten 
Bedeutungen haben. Wenn wir von einem Arbeitgeber lesen 2. daß 
er „sich wegen des Kontraktbruches dadurch schadlos gehalten hatte, 
dafs er einen durchschnittlichen Wochenverdienst für verwirkt 
erklärt hatte“: so kann das nur entweder den eben angegebenen 
Sinn haben, oder bedeuten, dal er die ihm aus dem Kontraktbruch 
gegen den kontraktbrüchigen Arbeitnehmer nach GewO. $ 124b zu- 
stehende Forderung geltend gemacht hat?. Dagegen des Arbeit- 
nehmers Forderung eines Wochenverdienstes kann nicht einseitig 
vom Arbeitgeber für verwirkt erklärt werden, d.h. eine solche Er- 
klärung hat nicht die Rechtsfolge der Verwirkung. . 
Von der Zurückbehaltung und von der Einbehaltung unterscheidet 
sich die Verwirkung dadurch, dal jene nur dilatorisch wirken, indem 
der Zurückbehaltende wie der Einbehaltende die Entrichtung des 
Lohnes nur einstweilen verweigert oder hinausschiebt, wogegen die 
Verwirkung definitiv oder peremtorisch in die Lohnforderung eingreift, 
sie (gänzlich oder teilweise) vernichtet. 
XI. Die Verwirkung des Lohnes ist für den Arbeitnehmer ein 
Übel, ein Vermögensnachteil, der ihn für den Fall eines gewissen 
von ihm ausgehenden Verhaltens trifft, und sie ist andererseits in 
1 Auf den Ursprung der Verwirkung aus Arbeitsordnung oder aus Arbeits- 
vertrag nimmt Bezug GewO. $ 134% Nr. 5: „Die Arbeitsordnung mufs Be- 
stimmungen enthalten: 5. sofern die Verwirkung von Lohnbeträgen 
nach Mafsgabe der Bestimmung des $ 134 Abs. 2 durch Arbeitsordnung 
oder Arbeitsvertrag ausbedungen wird. ..“ 
3 Bericht der badischen Fabrikinspektion für 1897 S. 51. 
3 Letzteres setzt nach GewO. 8 134 Abs. 2 einen kleineren Betrieb voraus.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.