456 II. Abschn, Zahlungszeit., 7. Kap.: Verwirkung.
gleichem Mafs für den Arbeitgeber ein Vermögensvorteil. Ferner
setzt dieser Vorteil nicht voraus, dafs das verwirkende Verhalten des
Arbeitnehmers .dem Arbeitgeber einen Schaden oder einen dem
Vorteil umfänglich entsprechenden Schaden zugefügt habe. Endlich
ist es mit dem Begriff der Verwirkung vereinbar, dafs der Arbeit-
geber, der durch das verwirkende Verhalten des Arbeitnehmers ge-
schädigt worden ist, den Ersatz des Schadens fordere, dessen Betrag
über den Vorteil hinausgeht, den die Verwirkung dem Arbeitgeber
gewährt!. Aus diesen Gründen darf man die Verwirkung als Verfall
einer Strafe oder Bufse bezeichnen, und da sie dem Arbeitgeber zum
Vorteil gereicht, als Privatstrafe ansprechen. Je nachdem die
Verwirkung ausnahmsweise auf Gesetz (S. 454) oder der Regel nach
auf Privatdisposition beruht, ist sie gesetzliche oder aber Konventional-
strafe*. Vertragsstrafe ist sie zwar nicht nach BGB. $ 339, weil
nicht die Zahlung einer Geldsumme als Strafe versprochen wird,
aber doch im Sinn von BGB. 8 342: „Wird als Strafe eine andere
Leistung als die Zahlung einer Geldsumme versprochen.“ Wenn
nämlich der Arbeitnehmer einwilligt, bei einem gewissen von ihm
ausgehenden Verhalten seine Lohnforderung zu Gunsten des Arbeit-
gebers einzubüfßfsen, so verspricht er damit implicite, für einen
gewissen Fall sich den Lohnabzug des Arbeitgebers gefallen zu lassen,
und dies kann man als Versprechen einer Leistung betrachten; er
verspricht zwar nicht eine Handlung, aber eine Unterlassung, nämlich
eine Duldung (patientia), eine Duldung fremden Lassens (der Nicht-
zahlung), zu fremdem Vorteil, auf eigene Kosten ?®.
1 Die nach SeemO. $ 82 verwirkte Heuer (S. 454?) kann zur Deckung der
Schadensersatzansprüche des Rheders aus dem Heuer- oder Dienstvertrage in
Anspruch genommen werden. Soweit sie dazu nicht erforderlich ist, kommt
sie der Seemanns- oder einer Armenkasse oder einem ähnlichen Zwecke zu
Gute ($ 107), Auch die Konventionalstrafe kann den Dienst der Schaden-
deckung leisten: BGB. 8 340 Abs. 2.
? „Streitigkeiten über eine in Beziehung auf das Arbeitsverhältnis be-
dungene Konventionalstrafe“, danach auch über eine Lohnverwirkung gehörten
(beim Dasein der übrigen gesetzlichen Voraussetzungen) zur Kompetenz der
Gewerbegerichte nach dem alten GewGerG. $ 3 Nr. 2. Da nach der neuen
vom 1. Januar 1902 geltenden Fassung das Gesetz in 8 4 Nr. 4 nur von
„Zahlung einer Vertragsstrafe“ spricht, und doch nicht Einengung der Kom-
petenz gewollt ist, so mufs das neue Gesetz extensiv interpretiert werden.
3 Wendt in Archiv f. civ. Praxis 92, 16 fg. spricht bei der Duldung nur
von Duldung der Vornahme einer Handlung. Die lex commissoria beim
Kauf, die dem Käufer die Duldung der Nichttradition oder der Nichtrück-
zahlung des Angezahlten, also einer Unterlassung auferlegen kann, ist nach
Wendt, Pandekten S. 199 ein Strafvertrag, ein „Verwirkungsvertrag“.