Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

V. Anderweitige Beschränkung. 463 
forderung sehr eingeengt ist. Allein mittelst ausbedungener Ver- 
wirkung kann die Vernichtung der Lohnforderung ebensowohl erreicht 
werden. Der Arbeitgeber, dem der Weg der Aufrechnung verlegt 
ist, ist daher veranlafst, einen anderen einzuschlagen und sich die 
totale oder partielle Verwirkung der Lohnforderung für die Fälle 
auszubedingen, in denen er sich gegen.ein ihm vom Arbeitnehmer 
drohendes oder zugefügtes Unrecht durch jene Liberation decken will. 
Und hieraus entsteht für ihn die Versuchung, die Lohneinbehaltung, 
die nicht in den Dienst der Kompensation gestellt werden kann (S. 451), 
zur Grundlage einer die letztere vertretenden Verwirkung zu machen. 
In diesem Sinn haben sie, wie es scheint, Arbeitgeber einander em- 
pfohlen!, und ist sie auch nicht selten angewandt worden?. Über- 
mälsiger Einbehaltung behufs Verwirkung kann. die S. 460 erörterte 
analoge Anwendung der GewO. für ihr Gebiet Schranken ziehen. Und 
wo eine kautionale Lohneinbehaltung ausbedungen wird, ohne dafs 
sich erkennen läfst, welcher juristische Weg zur Erreichung des 
vollen Kautionszweckes gemeint, ob es auf Kompensation mit einer 
Gegenforderung oder auf Verwirkung der Lohnforderung abgesehen sei ®, 
1 „Da die Einbehaltung von Lohn aber eines der Mittel ist, welche die 
kontraktwidrige Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu erschweren geeignet 
scheinen, dürfte es im Interesse der Arbeitgeber liegen, möglichst überall auf 
die Einbehaltung von Lohn hinzuwirken.“ Bericht des Arbeitgeberverbandes 
Hamburg-Altona f. d. J. 1899 8. 32. . 
? z. B. Landarbeiter in Deutschland II, 90 und 585: „Die sämtlichen 
Arbeiter lassen jeder als Kaution für diesen Kontrakt von ihrem Frühjahrs- 
lohn 830 Mk. stehen, welche erst am Schlufs der Arbeit ausgezahlt werden 
und dem Besitzer der Gutswirtschaft ... verfallen, falls jemand vorher die 
Arbeit verläfst u. s. w.“ Vgl. Schmoller, Zeitschr. f. d. ges. Staatsw. 30, 519. 
S. auch oben S. 4381 und das „Gutgeld“ oder „Sinngeld“ in der Schuhfarikation, 
z. B. Francke, Schuhmacherei in Bayern S. 190. Nähmaschinen-Reisende 
(Handlungsagenten), denen zur Aufbringung einer Kaution von 1600 Mk. 
Teile der Provisionen einbehalten werden (Vorwärts vom 16. November 1898). 
Gewerbegericht IV, 122/23 (Verfallen einbehaltenen Lohnes zu Gunsten der 
Fabrikkrankenkasse, wenn das Lehrverhältnis durch Schuld des Lehrlings 
vorzeitig gelöst wird), Fiebelkorn, Arbeitervermittelung in der Ziegel- 
industrie S. 39: „Manchen Meister (Ziegelmeister) lockt bei seinen Chikanen 
(gegenüber den Ziegelarbeitern) wohl auch der Umstand, dafs der einbehaltene 
Lohn kontraktlich dem Meister verfällt, wenn der Arbeiter vor Beendigung 
der Campagne die Arbeit verläfst.“ 
3 z, B. Arbeitsordnung der Glasfabriken von Gebr. E. & Co. zu Bischofs- 
werda i. S. $ 4: „Für die Innehaltung der vereinbarten Kündigungs- 
frist kann dem Arbeiter eine Kaution in der Höhe des Wochenverdienstes 
abverlangt und selbige bei der erstmaligen Lohnauszahlung innegehalten 
werden.“ Dafs der Betrag des Wochenverdienstes schon bei einmaliger Lohn-
	        
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