Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

IV. Rechtsquellen. Specialrechtliche Regelung. 21 
zunächst auf den Gerichtsgebrauch, der von der Gesetzgebung auf- 
genommen wird. Wo es sich hingegen um Arbeitsverträge solcher 
Arbeitnehmer handelt, die mit geringem oder ohne Kapitalbesitz in 
das Arbeitsverhältnis zu treten vermögen, oder um Arbeitsverträge 
über solche Arbeit, die nur ökonomisch Kraftlose zu übernehmen 
pflegen, zeigt sich die gesetzliche Regelung weit weniger auf 
detaillierte Ausbildung bedacht. Man wird des erwähnten Unter- 
schiedes alsbald gewahr, wenn man etwa die Regelung, die dem 
Kommissions-, dem Speditions- oder dem Frachtgeschäft für die 
Land-, Binnengewässer- oder Seebeförderung im HGB. und im Binnen- 
schiffahrtsgesetz zu. teil geworden ist, mit derjenigen vergleicht, 
welche der gewerbliche Arbeitsvertrag oder der Heuervertrag in der 
GewO., der Seemannsordnung und dem Binnenschiffahrtsgesetz er- 
halten haben. Man setze nicht entgegen, dafs die Arbeitsverhältnisse 
der letzteren Klasse um ihrer gröfßseren Einfachheit willen mit einer 
gröberen gesetzlichen Regelung auskommen können, da vielmehr 
durch tausendfältige Erfahrung bewiesen wird, dafs der gewerbliche 
Arbeitsvertrag zu juristischen Komplikationen führen kann, die an 
Zahl und Schwierigkeit den durch den Frachtvertrag hervorgerufenen 
nicht nachstehen. Es sind das Verwicklungen, die oft gerade daher 
rühren, dafs die Specialgesetze eine Reihe wichtiger Punkte, wie wir 
in der Folge sehen werden, gänzlich unberücksichtigt gelassen haben. 
Damit sind sie dem allgemeinen Civilrecht zur subsidiären Entschei- 
dung überlassen; aber diese Hülfe ist oft nicht zu erlangen, weil das 
Civilrecht den Arbeitsvertrag nur in grofsen Zügen behandelt und 
seine generellen Vorschriften über die Schuldverhältnisse meist auf 
die Sachleistung zugeschnitten sind. Lehrt also die Erfahrung, dafs 
es keineswegs die Geringfügigkeit des juristischen Bedürfnisses 
ist, welchem man die legislative Zurücksetzung einer Anzahl von 
Arbeitsverträgen zuzuschreiben hat, so bietet der vorhin angenommene 
Zusammenhang eine ausreichende Erklärung jenes Defektes. Wo die 
Arbeitnehmer gewisser Arbeitsverträge den nichtbesitzenden Klassen 
anzugehören pflegen, mufs ihr Einflufs auf eine diese Verträge mit 
Rechtsregeln versorgende, die Rechtsunsicherheit vermindernde und 
die Willkür beschränkende Gesetzgebung um so geringer sein, je 
mächtiger die Arbeitgeber sind, die ihnen gewöhnlich gegenüber- 
stehen; denn diesen mufs die legislatorische Zurückhaltung zum Vor- 
teil gereichen. 
Die vorstehende Auffassung ist völlig verträglich mit zwei Er- 
scheinungen, die nur auf den ersten Blick sich ihr nicht anpassen. 
Das sog. Auswanderungsgesetz regelt den Beförderungsvertrag,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.