Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

IL. Gesetzliche, gewohnheitsrechtliche. Arbeitsordnung. 479 
gewohnheitsrechtlich nach Alter, Geschlecht und Konfession der Par- 
teien und nach den Gattungen der Arbeit, namentlich nach dem Ort 
ihrer Verrichtung: auf der Stör oder in der Werkstätte, im Freien 
oder im geschlossenen Raum, unterirdisch oder über Tag, an festem 
Standort oder auf in Bewegung zu erhaltendem Fahrzeug (Verkehrs- 
gewerbe). In altem Herkommen wurzelnde, von religiösen Ge- 
boten gestützte, mit Sonnenauf- und Sonnenuntergang wie mit dem 
Wechsel der Jahreszeiten und mit traditionellen Mahlzeiten zusammen- 
hängende Normen der Arbeitszeit fehlen fast nirgends!. Erst der 
Kapitalismus in Industrie, Verkehr und Urproduktion, die Ma- 
schinerie und der Grofsbetrieb haben jene alten Schranken vielerorts 
niedergelegt, den Feierabend hinausgeschoben, die Nacht zum Tag 
gemacht, die Sonntage und Feiertage in Beschlag genommen, Pausen ge- 
strichen oder auf das Notdürftige verkürzt, bis neuerdings wieder unter 
dem Titel des Arbeiterschutzes sich die Gesetzgebung der Arbeitszeit an- 
genommen und die eingerissene Regellosigkeit zu Gunsten einzelner 
Klassen von Arbeitnehmern einigermafsen bekämpft hat. Diese Protektion 
ist in letzter Zeit auf Gewerbe erstreckt worden, bei denen die „über- 
mäßige Dauer der täglichen Arbeitszeit“ nicht modernen Ursprungs 
ist (Bäckerei, Müllerei). 
Endlich kommt es zu einer generellen Ordnung der Arbeitszeit 
einseitig auf dem Wege der Arbeitsordnung oder zweiseitig auf 
dem Wege des Tarifvertrags. Die für gröfsere Fabriken (nebst 
solchen gleichstehenden Anlagen) und für gröfßsere offene Verkaufs- 
stellen vom Arbeitgeber zu erlassenden Arbeitsordnungen sind obli- 
gatorisch auch nach dem Inhalt (S. 232). Sie müssen Bestimmungen 
enthalten über Anfang und Ende der regelmäfsigen täglichen Arbeits- 
zeit — der wöchentlichen ist nicht genügend —, sowie über Anfang 
und Ende der für die erwachsenen Arbeiter vorgesehenen Pausen. 
Die Pausen der übrigen Fabrikarbeiter, nämlich der jugendlichen und 
der Arbeiterinnen. auch der nicht unter obligatorische Arbeits- 
manchenorts noch für selbstverständlich, dafs das Bedürfnis nach Geselligkeit 
und Alkohol jederzeit, auch auf Kosten der Nachtruhe von Gastwirtsgehülfen, 
Gelegenheit zur Befriedigung finde, z. B. Kommission für Arbeiterstatistik, 
Verhandlungen Nr. 16 S. 70. 73. 76—78. 84. 92. 93. 
ı Während bei manchen Arbeiten (wie Landwirtschaft, Bauten, Binnen- 
und Seeschiffahrt, Konservierung von Vegetabilien) die Arbeitszeit unmittelbar 
von der Jahreszeit abhängt, ist dies bei anderen nur mittelbar der Fall, indem 
die an gewisse Jahreszeiten gebundene Konsumtion (z. B. von Kleidung, 
Bijouterie, Spielwaren) die Arbeitszeit zu Jahreszeiten beeinflufst, die mit 
der dann erfolgenden Produktion in keinem Zusammenhang stehen. Es giebt 
also zweierlei „Saisonarbeit“.
	        
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