Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

22 
Einleitung. 
in dem die Auswanderer Arbeitgeber sind, mit sehr ins Detail 
gehender Bestimmung‘ der Leistung. Zwar sind diese Arbeitgeber 
nichts weniger als kapitalkräftige und mit Einfluß auf die Gesetz- 
gebung begabte Personen, da sie vielmehr in beidem von den Arbeit- 
nehmern weit übertroffen werden. Allein es handelt sich auch bei 
der gedachten Regelung nicht um eine Berücksichtignng der Arbeit- 
nehmerinteressen für Kollisionen mit denen des Arbeitgebers — wie 
in der vorhin zuerst erwähnten Kategorie von Arbeitsverträgen, z. B. 
dem Frachtvertrag —, sondern um Bekämpfung eines als öffentlich 
empfundenen Übelstandes, um Fürsorge für wehrlose Personen, die 
von der Heimat losgelöst und in ein ihnen fremdes, passageres Ver- 
hältnis versetzt, aulser stande sind, ihre Interessen zu vertreten; was 
das Gesetz für diesen Arbeitsvertrag, seinen Abschlufs und Vollzug 
thut, ist gewissermaßen die letzte Gabe von Armenpflege, die die 
Heimat den Scheidenden reicht. — Die zweite Erscheinung besteht 
in den gesetzgeberischen Eingriffen, mit denen in den beiden letzten 
Jahrzehnten der gewerbliche Arbeitsvertrag und die Arbeitsverträge 
anderer ökonomisch schwacher Arbeitnehmer, wie der Handlungsgehülfen, 
der Binnenschiffs- und der Flofsmannschaft, bedacht worden sind, 
während die Reform der Seemannsordnung bevorsteht!. Denn da die 
hier gemeinten Neubildungen offenbar mit einer Zunahme der Be- 
deutung der fraglichen Arbeitnehmer in den Augen des Gesetzgebers 
Hand in Hand gehen — selbst wo es sich, wie in GewO. 8 124, 
vorzüglich um privatrechtliche Bekämpfung derselben handelt —, so 
wird durch die gedachten Eingriffe der vorhin erwähnte ursächliche 
Zusammenhang nur bestätigt. Die juristische Thatsache selbst, daß 
die specialrechtliche Regelung des Arbeitsvertrags ungleichmälßig ist, 
und’ dafs dabei die proletarischen Arbeitsverträge (wenn man sie so 
nennen darf) zu kurz kommen, bleibt trotz der modernen Nachträge 
und Zusätze bestehen. 
Die legislativ-privatrechtliche Vernachlässigung derjenigen Arbeits- 
verträge, welche von besitzlosen Arbeitnehmern geschlossen zu werden 
pflegen, tritt endlich auch noch darin hervor, dafs ganzen und grofsen 
Kategorien solcher Arbeitsverträge die reichsgesetzliche Specialregelung 
entweder gänzlich versagt, oder nur mit einzelnen Bestimmungen ge- 
währt worden ist, also daß sie entweder sich mit den Vorschriften 
des allgemeinen bürgerlichen Rechts zu begnügen haben, oder 
gröfserenteils nur partikularem Specialrecht unterfallen. So werden 
* Vgl. Bericht des Arbeitgeber-Verbandes Hamburg-Altona über das Jahr 
1900 S. 2.9.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.