Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

IIL Individuelle Übereinkunft. Einseitige Festsetzung. 483 
beliebig unterbrechen *. Bei zahlreichen Akkorden, die mit Bestimmung 
einer Lieferzeit eingegangen werden, sehen -wir die Arbeitszeit un- 
bestimmt gelassen in der Meinung, dafs sie nach Umfang und Ver- 
teilung allein vom Arbeitnehmer bestimmt werden soll (S. 472). Ebenso 
häufig finden wir umgekehrt die Bestimmung der Arbeitszeit als Sache 
des Arbeitgebers vor, dem diese Direktion nach den Umständen 
zukommt, oder im Arbeitsvertrag besonders eingeräumt worden ist®. 
Solche Verfügungsfreiheit pflegen die Unternehmer oder Direktoren 
von Theatern zu besitzen, indem sie durch Anberaumung von Proben 
und Aufführungen nach Zahl und Gegenstand und durch die Verteilung 
der Rollen diskretionär die Arbeitszeit für die Leistungen ihrer Arbeit- 
nehmer, der Musiker, der Darsteller und der sogenannten Theater- 
arbeiter bestimmen. In unvergleichlich gröfserem Maßstab trifft man 
die einseitige Bestimmung der Arbeitszeit durch den Arbeitgeber in 
vielen landwirtschaftlichen Betrieben an. Hier werden unzählige 
Kontrakte dahin abgeschlossen, dafs der Arbeitnehmer auf Ver- 
langen des Arbeitgebers täglich zur Arbeit zu kommen hat und nur 
zu der vom Arbeitgeher bestimmten Zeit den Vertrag vollziehen kann. 
In solchen Arbeitsverhältnissen stehen vorzüglich die Insten im ost- 
elbischen Deutschland? Sie erhalten als Entgelt für ihre Arbeits- 
leistung, die sie teils persönlich, teils durch von ihnen gestellte Schar- 
werker oder Hofgänger machen, bald Zeitlohn, meist Tagelohn, bald 
Akkordlohn. Aufserdem bekommen sie als Jahreslohn Landnutzung 
und wohl auch noch andere Naturralleistungen. Da diese Natural- 
vergütung während des Jahres nicht variiert, unabhängig ist von dem 
veränderlichen Umfang der Arbeit, die sie auf Verlangen des Arbeit- 
gebers leisten und nach dem wechselnden Umfang durch Geld belohnt 
ı Von den im Akkord arbeitenden Töpfergesellen des preufsischen Kreises 
Bunzlau: „Es besteht kein festgesetzter Arbeitstag unter Kontrolle des 
Meisters; vielmehr ist Kommen und Gehen in das Belieben der Arbeiter ge- 
setzt...“ Lage des Handwerks I, 201, ähnlich 400/1. Wörishoffer, Die 
soziale Lage der Fabrikarbeiter in Mannheim S. 73 (mit Bezug auf die 
Cigarrenindustrie): „Dafs die Arbeitszeit wegen der ausschliefslichen Akkord- 
arbeit und der Einfachheit der Einrichtungen in das Belieben des Einzelnen 
gestellt ist.“ S. auch Wörishoffer, Die soziale Lage der Cigarrenarbeiter 
im Grofsherzogtum Baden S. 17—20. 
2 z. B. Verhältnisse der Landarbeiter III, 745 aus einem Kontrakt eines 
mecklenburgischen Gutsbesitzers mit einem Deputatisten: „Die Arbeitszeit 
des Deputatisten hängt lediglich von der Bestimmung des Dienstherrn ab, 
welcher der Deputatist sich unbedingt zu unterziehen hat.“ S. ferner a. a, 0. 
IT, 567 ($ 2), 572 ($ 2), 579. 
3 & auch Landarbeiter in den evangel. Gebieten IL, 125. 126.
	        
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