Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

1. Verhältnis zu Zahlungs- u. Arbeitszeit. III Zu den Grundformen. 511 
Zeitbestimmung ist weder die Zahlungs- noch die Arbeits-, noch die 
Vertragszeit, sondern der für die Vergütung mafßgebende Zeitabschnitt. 
Dieser und die Vertragszeit sind begrifflich verschieden und brauchen 
auch nicht zusammenzufallen. Wo im Zeitlohnvertrag die Vertrags- 
zeit bestimmt worden ist, kann sie dem für den Lohn mafsgebenden 
Zeitabschnitt gleich sein! oder von demselben verschieden, nämlich 
aröfser? oder kleiner sein? als dieser Zeitabschnitt. Es ist daher mit 
dem lohnmessenden Zeitabschnitt nicht auch die Dauer des Vertrags- 
verhältnisses bestimmt. . Die Vereinbarung z. B. eines Jahres- oder 
eines Monatlohnes involviert nicht die Abrede, dafs das Arbeitsverhältnis 
bis zum Ablauf eines Jahres oder eines Monats bestehen soll; es 
kann trotz jener Vereinbarung ein Arbeitsverhältnis von unbe- 
stimmter Dauer sein. In zahllosen Zeitlohnverträgen ist die Ver- 
tragszeit unbestimmt gelassen. Und doch hat sieh hier zwischen 
dem lohnmessenden Zeitabschnitt und der Vertragszeit ein gewisser 
Zusammenhang ausgebildet, der vom Gesetz an einer Stelle (BGB. 
$ 621), allerdings nicht zwingend, sanktioniert worden ist. Dieser 
Zusammenhang besteht in der Korrespondenz jenes Zeitabschnitts und 
der Kündigungsfrist, die ja einen Teil der Vertragszeit ausmacht. 
Die Kündigungsfrist pflegt nämlich um so mehr ausgedehnt zu werden, 
je gröfser der lohnmessende Zeitabschnitt ist*. Indem die Parteien 
wie das angeführte Gesetz den Zeitlohnvertraeg, der einen größeren 
1 z. B. ein Monatlohnvertrag, für einen Monat geschlossen, 
? z. B. ein Monatlohnvertrag, für ein Jahr geschlossen. — Verhältnisse 
der Landarbeiter II, 589 fg.: Kontrakt „für die Zeit von Martini 1890 bis 
dahin 1891“ mit Geldlohn „pro Woche“. 
3 z. B. ein Monatlohnvertrag für einen halben Monat geschlossen (ein 
Kaufmann dingt einen stellungslosen jungen Mann als Ersatz für den auf 
einen halben Monat beurlaubten Verkäufer zu dem für diesen geltenden Lohn- 
satz von monatlich 150 Mk.). 
4 Vgl. Denkschrift zum Entwurf eines BGB. (1896) S. 120: „Ist die für 
die Dienste vereinbarte Vergütung nach Zeitabschnitten (Tagen, Wochen, 
Monaten u. s. w.) bemessen, so entspricht:es den Anschauungen des Ver- 
kehrs, dafs bei der Kündigung eine Frist einzuhalten ist, welche der Länge 
jenes Zeitabschnittes entspricht.“ Auf diesen Verkehrsanschauungen beruht 
die Annahme des Karlsruher Gewerbegerichts (Blätter für soziale Praxis vom 
22. November 1894 SS. 183), es sei „aus dem Umstand, dafs der Lohn des 
Klägers monatlich (will heifsen: für den Monat) festgesetzt wurde, zu schliefsen, 
dafs an eine jederzeitige Entlafsbarkeit nicht gedacht wurde“. Das Extrem 
jener Verkehrsanschauung äufsert sich in der Annähme, dals bei Stunden- 
löhnung keine Kündigungsfrist einzuhalten sei. Nach dieser Annahme ver- 
fuhren Arbeitgeber in vom Berliner Gewerbegericht entschiedenen Fällen 
(Unger, Entscheidungen Nr. 65, und Vorwärts vom 4. März 1899).
	        
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