Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

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Einleitung. 
handelt es sich oft um Interessen, die dem theoretischen Juristen, da 
er gewissermafßsen einer „anderen Nation“ angehört, von Haus aus 
nicht verständlich zu sein pflegen, Was in dieser Hinsicht dem 
rechtsgelehrten Gewerberichter die sachverständigen Beisitzer leisten, 
muls sich der darstellende Theoretiker durch Benutzung beschreibender 
Litteratur oder durch sonstige Erkundigung zu beschaffen suchen. Man 
darf annehmen, dafs auch diese im Gegenstand liegende Schwierigkeit 
nicht ohne Einflufs auf die verhältnismäfßsige Unbegangenheit gewesen 
ist, in der die Rechtswissenschaft beträchtliche Teile unseres Gebietes 
belassen hat! 
Es bedeutet aber diese Beschäftigung mit den Vorgängen des 
Arbeitsverkehrs für den Juristen nicht blofs eine unerläfsliche Vor- 
bereitung auf die Anwendung seiner Methode, es ist auch nichts ge- 
eigneter, sein Interesse an ihrer Anwendung zu erwecken und sein 
Vertrauen in ihre Anwendbarkeit zu verstärken. Wohl mag er dabei 
in Sphären gelangen, in denen er das Gewicht seiner privatrechtlichen 
Gebote der Wucht ökonomischer Thatsachen erliegen sieht. Allein 
dies kann ihn nicht bewegen, seine wissenschaftliche Aufgabe im Stich 
zu lassen. Er wird vielmehr bis zu dem Punkte vorgehen, an dem 
er die fernere Leitung dem Politiker überlassen muß. Dem Juristen 
kann die Angabe anderer als der vom Recht gewährten Mittel nicht 
zugemutet werden; und wenn es im Anwendungsgebiet des Arbeits- 
vertrags „Grundübel“ giebt, denen man „auch mit gesetzlichen und 
Verwaltungsmalsregeln nicht beikommen kann“ ?®, so muß man erst 
recht der Grenzen eingedenk bleiben, die der Heilkraft der Juris- 
prudenz gezogen sind. 
Andererseits giebt es nicht wenige Arbeitsverträge und Situationen 
in Arbeitsverträgen, deren bestehende privatrechtliche Ordnung noch 
niemals zur Geltung gebracht wurde, so dafs die Probe auf ihre 
Realisierbarkeit hier erst noch zu machen ist; dieser Probe kann durch 
die theoretische Darlegung jener Ordnung vorgearbeitet werden. Und 
wenn von den Rechtsbrüchen, die von der Jurisprudenz noch unerkannt 
und von den Betroffenen noch unverklagt sich am hellen Tage sehen 
lassen, auch nur eine oder die andere Art einmal theoretisch ge- 
brandmarkt wird, so vermag schon dies einen Nutzen zu stiften. 
1! Die erwähnte Schwierigkeit wird dadurch vergröfsert, dafs bei der 
Aufnahme und Darbietung des faktischen Materials den Ansprüchen an die 
Klarstellung der juristisch relevanten Thatsachen oft nicht genügt wird, 
? Drucksachen der Kommission für Arbeiterstatistik. Verhandlungen 
Nr. 9 (1896) S. 3.
	        
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