556 IV. Abschn. Vertragszeit. 3. Kap.: Gesetzl. u. vertragl. Endbestimmung.
gewicht wird hierdurch ins Ungemessene gesteigert!'. Zur Be-
schwichtigung dieser Bedenken kann man nicht darauf verweisen,
dafs doch auch in mehreren von den Fällen, in denen das Gesetz
ausnahmsweise die Kündigung gestattet (S. 555), dies blofs zu Gunsten
der einen Partei geschieht?. Indessen trotz jener allgemeinen Bedenken
ist zuzugeben, dafs der einseitige Kündigungsvorbehalt nach BGB.
erst dann als ungültig anzusehen ist, wenn die dadurch bewirkte
Bevorzugung der einen Partei die Übereinkunft als gegen die
guten Sitten verstofsend erscheinen läßt, was nicht selten der
Fall sein wird ®.
Auch außerhalb des BGB. wird der besagte Vorbehalt durch
kein Gesetz unmittelbar ausgeschlossen. Und doch läßt sich
denken, dafs ein solcher Vorbehalt auf eine Umgehung gewisser Ge-
setze hinauskomme und darum. von Rechtswegen unzulässig sel.
HGB. $ 67 und GewO. 8 122, $ 13322 verlangen nämlich zur Er-
haltung der rechtlichen Parität der Parteien, dafs wo eine von der
normalen abweichende Kündigungsfrist bedungen wird, sie für beide
Teile gleich sei, und erklären die zuwiderlaufende Vereinbarung für
nichtig. Allerdings beziehen sieh die angeführten Gesetze auf Arbeits-
ı Namentlich erhält er im Kündigungsrecht ein Mittel, des schwächeren
Arbeitnehmers Einwilligung in die Herabsetzung des Entgeltes für die Folge-
zeit zu erlangen. Opet in Handwörterbuch der Staatsw. s. v. Theaterrecht
(VIL2, 95).
* Im Fall des $ 624 BGB. handelt es sich um ein Vorrecht der einen
Partei, das erst nach fünf Jahren zur Geltung kommt, und bevorzugt ist
diejenige Partei, welche durch das Verhältnis persönlich, und nicht
blofs pekuniär wie der Dienstberechtigte, belastet wird. In den übrigen
Fällen (BiSchG. $8 20 Abs, 6. 25 Abs. 4, FIG. 88 16 Abs. 4. 21 Abs. 3, HGB.
8 545) wird das Vorrecht des Dienstberechtigten dadurch gewissermafsen aus-
geglichen, dafs er die Kündigung nur unter Entschädigung des andern Teils
(wegen der vorzeitigen Endigung) vornehmen kann.
3 Im Engagementsformular des deutschen Bühnenvereins lautet 8 2:
„ist der Vertrag auf längere Zeit geschlossen, so behält sich die General-
intendantur ausdrücklich das Recht vor, denselben nach Ablauf des ersten
und dritten Jahres durch voraufgegangene dreimonatliche Kündigung einseitig
wieder aufzulösen.“ Diese Bevorzugung des Arbeitgebers verstöfst nicht
wider das „Synallagma“ und nicht wider den „wesentlichen Charakter“ des
Engagements, wohl aber wider die guten Sitten, indem sie geeignet ist, „den
Schauspieler in die unwürdigste Abhängigkeit zu versetzen“. Opet, Theater-
recht S. 204. Es handelt sich bei den im Text erwähnten Thatbeständen um
unmoralische Verträge der zweiten, bei Lotmar, Unmoral. Vertrag S. 71/2
genannten Form, so dafs die Moralfrage zu entscheiden ist, ob im gegebenen
Fall die Duldung einseitiger Kündigungsfreiheit von Moral wegen ausbedungen
werden darf. Vgl. auch oben S. 5221,