Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

V. Konversion einer ungültigen Kündigung, 569 
Wenn die Annahme des Gegners ausbleibt und damit die ge- 
dachte Konversion mifslingt, so bleibt die Kündigung nichtig in dem 
Sinn, daß trotz der Kündigung das Rechtsverhältnis über die Zeit 
hinaus fortdauert, zu der es geendigt hätte, wenn die Kündigung 
yültiz gewesen wäre. Allein nun kommt eine andere Anwendung der 
Konversion in Frage. Denn es kann gefragt werden, ob die im eben 
angegebenen Sinne ungültige Kündigung nicht als Kündigung in 
einem anderen Sinne gelten könne, nämlich als das Verhältnis in 
Jem Zeitpunkt aufhebend, auf welchen sie gültig hätte gestellt 
werden können!. 
Die Zulässigkeit solcher Korrektur einer fehlerhaften Kündigung 
ist anzuerkennen. Der Kündigende hat durch die Kündigung den 
Willen an den Tag gelegt, das Arbeitsverhältnis jetzt oder in einem 
zewissen späteren Zeitpunkt aufzuheben, und diesem Willen kann 
nicht stattgegeben werden, weil (wie wir voraussetzen) beide Zeit- 
punkte zu nahe liegen. Aber es ist zulässig, dem Aufhebungswillen 
für den frühest möglichen Zeitpunkt stattzugeben, und das ist in dem 
»ft, vorkommenden Fall geboten, wo der Kündigende bei Kenntnis der 
Ungültigkeit doch die frühest mögliche Endigung des Verhältnisses 
gewollt haben würde oder gar eventuell gewollt zu haben erklärt. 
Hierdurch wird die ungültige Kündigung in eine gehörig befristete 
konvertiert. Diese Konversion oder Korrektur hat zur Folge, dafs 
selbst bei faktischer Fortsetzung des Verhältnisses eine gültige Kün- 
digung nicht mehr zu ergehen braucht, und das Verhältnis ohnedies 
in dem frühest möglichen Zeitpunkt zu Ende geht?. Dafs jedoch die 
besagte Korrektur nur in gewissen Grenzen zulässig ist. zeigt Sich bei 
der folgenden Unterscheidung: 
i. Ist ungültig gekündigt worden im Sinne sofortiger Aufhebung 
des Verhältnisses (unbefugte Entlassung oder unbefugter Austritt, un- 
befugte Arbeitsniederlegung), so gilt dasselbe als gekündigt für den 
Zeitpunkt, der um die (gesetzliche oder vertragliche) Kündigungsfrist 
vom Zeitpunkt der Kündigung entfernt ist®. Bis zum Ablauf dieser 
ı Vgl. Thiele a, a. O0, 8. 162. 163. 
® Eine fernere Folge ist die Anwendbarkeit von BGB. 8 629. Unter 
‚Kündigung“ ist die gültige zu verstehen, aher auch die ungültige, durch 
Imdeutung validierte. 
3 8. Reinhard in Sächsisches Archiv f, bürgerl. Recht VII, 47, Staub, 
Kommentar z. HGB. 8 66 Anm. 8 a. E. Unger, Entscheidungen Nr. 77, I. 
im Leben provoziert der Einspruch gegen eine unbefristete Kündigung nicht 
selten eine befristete, woran sich zeigt, wie gerechtfertigt die in Rede stehende 
Konversion ist. — Findet die ungültige unbefristete Kündigung statt, nachdem 
von der nämlichen Partei schon eine gültige befristete Kündigung ergangen
	        
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