VI Widerruflichkeit. Qualifizierter Widerruf. 573
einer Pflicht enthoben; diese ihm durch die Kündigung gegebene
Position soll ihm nicht ohne sein Einverständnis wieder entzogen
werden können!. Stellt die Kündigung selbst schon eine gewisse
Abnormität dar, insofern hier das Ende eines Rechtsverhältnisses, an
dem zwei Personen beteiligt sind, durch den Willen einer bestimmt
wird, so muß man verlangen, dafs ihre Widerruflichkeit vom posi-
tiven Recht statuiert sei, um angenommen werden zu können. Es
würde eine willkürliche Potenzierung der Abnormität sein, ohne dies
den Fortbestand der Kündigung in das Belieben des Kündigenden zu
setzen. Denn ihm wäre damit die Macht verliehen, ein durch die
Kündigung untergegangenes oder untergehendes Vertragsverhältnis
durch seinen Willen allein wiederherzustellen.
Die Ungültigkeit des Widerrufs der Kündigung oder die Un-
widerruflichkeit der Kündigung bezieht sich auf jede Kündigung, die
bei einem Arbeitsverhältnis vorkommen kann. Es ist namentlich
gleichgültig, ob es durch Dienst- oder durch Werkvertrag begründet
worden ist. Es ist ferner gleichgültig, ob der Widerruf re integra
erfolgt oder zu einer Zeit, da der Empfänger der Kündigung mit
Rücksicht auf das eingetretene oder bevorstehende Ende des Arbeits-
verhältnisses faktische oder rechtliche Mafsnahmen getroffen hat. Es
ist endlich auch gleichgültig, ob die Kündigung in dem spätest mög-
lichen oder in einem früheren Zeitpunkt erfolgt ist®.
Nicht blofs der bisher betrachtete einfache oder totale, sondern
auch der qualifizierte oder partielle Widerruf der Kündigung ist un
statthaft, d.h. der Widerruf, welcher mit Entfernung (Verschiebung)
des durch die Kündigung gesetzten Endtermins, und der Widerruf,
welcher mit dessen Annäherung‘ (Verkürzung oder Ausschaltung der
Kündigungsfrist) verbunden ist. Dagegen kann es wohl vorkommen
und bildet keine Ausnahme von der Unwiderruflichkeit der Kündigung,
dafs nach einer Kündigung während der Kündigungsfrist von der
nämlichen Partei eine neue und zwar unbefristete Kündigung (etwa
aus wichtigem Grund, wo solcher erforderlich) ergeht, die das Ver-
hältnis sofort endiegt?.
ı Nach Thiele a. a. O0. S. 163 kann „die für beide Teile mit rechts-
erzeugender Kraft erfolgte Fixierung des Endtermins einseitig nicht wieder
rückgängig gemacht werden“.
2 Es ist z. B. im Verhältnis des Prinzipals zum Handlungsgehülfen
(HGB. $ 66) die am 1. Aug. für den 30. Sept. erlassene Kündigung so gültig
und daher so unwiderruflich, wie die für den gleichen Termin erst am 19. Aug.
d. i. spätestens ergangene.
3 Vgl. S. 569% 570% Unbefristete Kündigung eines mit Kündigungfrist
gekündigten Dienstverhältnisses vor Ablauf dieser Frist entspricht einem prak-