588 IV. Abschn. Vertragszeit. 5. Kap.: Befristete Kündigung.
lich Gewicht darauf, daß bei einer Abweichung vom Gesetz die
Kündigungsfrist für beide Teile gleich sei. Damit ist wahrscheinlich
eine Moralforderung vom Recht anerkannt und legalisiert . worden !.
Denn überall, wo neuere Reichsgesetze geradezu Kündigungsfristen
für Arbeitsverhältnisse aufstellen — mit Ausnahme von BGB.
$ 624. HGB. $ 422 und beim Berufswechsel der Lehrlinge —, haben
sie die Befristung für beide Parteien gleich bemessen und die frei
gestellte abweichende Übereinkunft mehrmals durch das Erfordernis
der Parität beschränkt. Der Erwerb der Möglichkeit, sich durch
kürzere oder einfachere Befristung als dem Gegner zusteht, dem
Arbeitsverhältnis zu entziehen, ist eine Stärkung der eigenen
Position auf Kosten des Gegners, und es ist klar, was dies da
bedeutet, wo schon vor der Vertragschliefsung .das Übergewicht
auf seiten des Bevorzugten liegt. Man hat daher nach dem Stand
der Gesetzgebung bei der moralischen Prüfung privater Regelung der
Kündigungsfrist auf die Zulässigkeit der Imparität im gegebenen Fall
auch da zu achten, wo es sich um Arbeitsverhältnisse handelt, für
die nicht schon das Gesetz die Parität gefordert hat, z. B. von Lehrern,
Erzieherinnen, Privatbeamten, Agenten, Schauspielern, Landarbeitern.
V. Betrachten wir nun die besonderen gesetzlichen Schranken
näher, so beziehen sich die der GewO. 8 134 Abs. 1 Nr. 3 und 8 139k
Abs. 2 auf die beruflichen Arbeitsverträge der Fabrikarbeiter größerer
Fabriken, d. i. solcher, in denen regelmäßig mindestens zwanzig
Arbeiter‘ beschäftigt werden, und der Angestellten offener Verkaufs-
stellen, in denen regelmäßig mindestens zwanzig Gehülfen und Lehr-
linge beschäftigt werden. Es mufs nämlich die für eine größere
Fabrik oder solche offene Verkaufsstelle zu erlassende Arbeits-
ordnung Bestimmungen enthalten, „sofern es nicht bei den gesetz-
lichen Bestimmungen bewenden soll, über die Frist der zulässigen
Aufkündigung“?. Hiermit ist nicht bloß verfügt, dafs die Arbeits-
ordnung, um gültig zu sein, etwaige Abweichungen von den gesetz-
lichen Bestimmungen der Befristung enthalten mufß, sondern auch,
dafs solche Abweichungen, um gültig zu sein, in der Arbeits-
ordnung enthalten sein müssen (S. 232°), mit anderen Worten, das
Gesetz regelt hier nicht blofs die Arbeitsordnung, sondern auch. die
1 „Reception von Moral durch das Recht“: Lotmar, Unmoral. Vertrag
S. 10.
? Die hier gemeinten „gesetzlichen Bestimmungen“ sind GewO, $ 122
Satz 1. HGB. 88 66. 67 und (mit Rücksicht auf HGB. $ 83) auch BGB.
SS 621. 623.