Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

III. Vereinbarung des Entzugs. 609 
unbefristete Kündigung verliehen, wenn das Arbeitsverhältnis „min- 
destens auf vier Wochen oder wenn eine längere als vierzehntägige 
Kündigungsfrist vereinbart ist“. Beidemal haben wir, allerdings von 
Vertrags wegen, eine die gemeine vierzehntägige überschreitende 
Frist der Unkündbarkeit, und darum wird der Ausweg der un- 
befristeten Kündigung in weiterem Umfang zugelassen, als sonst nach 
88 123. 124 Rechtens ist. 
Es giebt Arbeitsverhältnisse, bei denen die unbefristete Kündigung 
der einzige vom Recht verliehene Weg ist, auf dem eine Partei blofs 
durch ihren Willen, einseitig, das Verhältnis zur Lösung bringen kann. 
Dies gilt von dem durch Akkord begründeten Dienstverhältnis, falls 
es die Erwerbsthätigkeit des Arbeitnehmers nicht vollständig oder 
hauptsächlich in Anspruch nimmt (BGB. $ 628). Es gilt ferner von 
den Arbeitsverhältnissen, die durch Werkvertrag, durch Frachtvertrag, 
durch den Beförderungsvertrag des Auswanderers begründet worden 
sind !. Die hinterlegte Sache zurückzufordern bezw. ihre Rücknahme 
zu verlangen, ist für den Hinterleger bezw. den Verwahrer das ein- 
zige Mittel einseitiger Endbestimmung der Vertragszeit. Beim Lehr- 
verhältnis des Handlungs- wie des gewerblichen Lehrlings bildet 
während wie nach der „Probezeit“ (dem ersten Monat resp. den 
ersten vier Wochen) die unbefristete Kündigung das alleinige Mittel 
sinseitiger Endbestimmung für den Lehrherrn wie für den Lehrling? 
Endlich ist auch das durch den Heuervertrag des Schiffsmanns in der 
Seeschiffahrt geschaffene Verhältnis einseitig lösbar nur durch un- 
befristete Kündigung (SeemO. 88 57. 61). 
Wenn nun in den vorstehenden Fällen das Recht einer Partei 
oder beiden Parteien in der unbefristeten Kündigung ein Mittel und 
außer diesem keines gewährt hat, einseitig dem Arbeitsverhältnis ein 
Ende zu setzen, so scheint es geradezu geboten, anzunehmen, dafs 
damit eine wenn auch nicht der Privatdisposition entrückte, so doch 
durch solche nicht entziehbare Befugnis verliehen worden ist. Die 
gegenteilige Annahme würde beim Hinterlegungsverhältnis nahezu 
sinnlos sein. — Das Recht des Inhabers der elterlichen Gewalt oder 
des Vormundes zur Kündigung des Lehrverhältnisses eines Minder- 
jährigen kann nicht durch Vertrag entzogen werden, da es in der dem 
ı BGB. 88 649. 650. HGB. 58 428 Abs. 2. 580. 669. BiSchG. $ 36. 
AuswG. 88 28. 29 Abs. 3. 
? HGB. 8 77 Abs. 2--4. GewO. $127b Abs. 1—8. Nur bei der Er- 
klärung vorhabenden Berufswechsels „endigt, wenn nicht der Lehrling früher 
entlassen wird, das Lehrverhältnis nach Ablauf eines Monats“ (resp. von vier 
Wochen): HGB. $ 78 Abs. 1. GewO. 8 127° Abs. 1. 
Lotmar. Arbeitsvertrag, I.
	        
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