VII. Zusatz zu speciellen gesetzlichen Kündigungsgründen, 621
durch Privatdisposition zugänglich!. Dasselbe ist von mehreren
speziell angeführten Kündigungsgründen zu sagen, die im Verhältnis
des Prinzipals zum Handlungsgehülfen, des gewerblichen Arbeitgebers
zum Gesellen, des Schiffers zum Seemann u. s. w. gelten ?,
Die zusätzliche Hervorhebung oder Beifügung im Gesetz nicht
besonders genannter Kündigungsgründe ist zwar grundsätzlich zulässig ®,
ob sie es aber auch im gegebenen Fall ist, hängt vom Inhalt des
Zusatzes ab. Dieser Inhalt darf weder gegen das Recht noch gegen
die Moral verstofsen. Als moralwidrig wären insbesondere Zusätze
anzusehen, die dem aufserkontraktlichen Leben der Parteien neue
Kündigungsgründe entnehmen, es sei denn, dal hierdurch die in den
Gesetzen verletzte Parität hergestellt wird. So kann nicht zum
Kündigungsgrund gemacht werden der Eintritt des Arbeitnehmers in
einen die Arbeitnehmerinteressen fördernden Verein, auch nicht wenn
zugleich des Arbeitgebers Eintritt in einen die Arbeitgeberinteressen
fördernden Verein als Kündigungsgrund aufgenommen würde*. In
‘ So die wiederholte Verletzung der dem Lehrling in 8 127% GewO. auf-
erlegten Pflichten; die Vernachlässigung der dem Lehrherrn gegen den Lehr-
ing obliegenden Pflichten in einer die Gesundheit, Sittlichkeit oder Aus-
bildung des Lehrlings gefährdenden Weise; der Mifsbrauch des Rechts der
väterlichen Zucht,
* So bilden viele Arten enthaltende und der Spezialisierung fähige
Kündigungsgründe z. B. HGB. 8 71 Nr. 3: „wenn der Prinzipal den ihm nach
8 62 obliegenden Verpflichtungen nachzukommen verweigert“, HGB. $ 72
Nr. 1: „wenn der Handlungsgehülfe das Vertrauen mifsbraucht“. GewO. 8 128
Nr. 2: wenn die Gesellen „eines liederlichen Lebenswandels sich schuldig
machen“. 8 123 Nr. 7. 8 124 Nr. 3: gewisse Personen zu Handlungen verleiten,
„Welche wider die Gesetze oder die guten Sitten verstofsen“. SeemO. 8 57
Nr. 2. 8 61 Nr. 1.
3 Von dieser Zulässigkeit machen Gebrauch z. B. das Engagements-
formular des deutsch. Bühnenvereins (I $ 10. 1I 8 4, III c. 88 6. 10. 11), von
Nichtvereinsbühnen (z. B. Opet, Theaterrecht S. 478 $ 13), andere Vertrags-
formulare und zahlreiche Arbeitsordnungen, z. B.: „Ich unterwerfe mich der
Bedingung, sofort entlassen werden zu können, wenn ich gegen die Interessen
meines Arbeitgebers handle, wenn ich den Keim der Unzufriedenheit in die
Brust des zufriedenen Arbeiters zu tragen suche.“ „Wenn drei oder mehr
Arbeiter zusammenstehen, so wird dieses als Komplott angesehen und mit
sofortiger Entlassung geahndet.“ — Zur Kritik vgl. Opet a. a. O. S. 207. 211.
Vgl. S. 218!. Eine Arbeitsordnung bestimmt: „Aufser den gesetzlich
vorgeschriebenen Entlassungsgründen ist für uns noch Grund zur sofortigen
Entlassung: die Mitgliedschaft beim Metallarbeiterverbande und die Bei-
wohnung einer Versammlung desselben,“ Soz, Praxis VIIL, 447 beanstandet
die hierin liegende Imparität. Allein, auch wenn die Arbeitsordnung den
Arbeitnehmern freigestellt hätte, die Arbeit zu verlassen, falls der Arbeit-
veber dem Gesamtverbande deutscher Metallindustrieller beitritt und einer