Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

630 IV. Abschn. Vertragszeit. 6. Kap.: Unbefristete Kündigung. 
Kündigung drehen, betrifft daher keineswegs ihre Möglichkeit, sondern 
entweder. die Frage, ob nicht bei der Entfristung eine unzulässige 
Verletzung der Parität erfolgt, oder die Frage, ob es in der. That 
zur Ausschliefßung der Befristung gekommen sei®.. Und diese letztere 
Frage wird oftmals dadurch streitig, dafs bei der erstmaligen Schliefsung 
des Arbeitsvertrags der Konsens über die Entfristung nicht zu voller 
Deutlichkeit gebracht worden ist®, oder dafs nach Endigung der Ver- 
tragszeit später. ein neuer Vertragschlufs stattgefunden hat, bei 
welchem die Kündigung unerwähnt ‚geblieben ist, oder endlich ein 
bestehendes Arbeitsverhältnis eine nicht ursprünglich vereinbarte 
Neuerung in einem wesentlichen Punkt erfährt, die es als neues er- 
scheinen läfst, während bei dieser Neuerung der Kündigung nicht 
gedacht worden ist“. Der Ausschlufs der Kündigungsfrist kann nach- 
© z. B. Jahresbericht der preufs. Gewerberäte für 1899 S. 161: „In gröfsere 
Lohnstreitigkeiten geriet ein Bauunternehmer mit den Arbeitern ... wegen 
einer Bestimmung, wonach Arbeiter zwar jederzeit ohne Kündigung entlassen 
werden Konnten, aber eine erhebliche Lohnverkürzung erlitten, wenn sie 
innerhalb der 14tägigen Lohnperiode ausschieden,“ S. auch Unger, Ent- 
scheidungen Nr. 69, I. II Nr.. 71, I. II. Denkschrift des Verbandes deutscher 
Köche an den Norddeutsch. Lloyd in Vorwärts vom 15. Juni 1899. 
% Bei der Eingehung eines gewerblichen Arbeitsverhältnisses „zur Probe“ 
oder „probeweise“ wird nicht selten vereinbart, dafs in der Probezeit keine 
Kündigungsfrist gelten solle (z. B. Werkstattordnung der Dachdeckermeister 
in Frankfurt a. M.: Lage des Handwerks I, 358; auch ohne Gebrauch jener 
Ausdrücke wird die Entfristung bisweilen auf eine gewisse Zeit vom Vertrag- 
schlufs an beschränkt: auf 14 Tage z. B. in der Arbeitsordnung von C. F. in 
Weinheim). Demgemäfls wird von Gewerbegerichten in jener Vertragschliefsung 
„zur Probe“ die Ausschliefsung der Kündigungsfrist erblickt, Vgl. Unger, 
Entscheidungen Nr. 63. 64. Burchardt, Rechtsverhältnisse der gewerbl. 
Arbeiter S. 51. Bei der Deutung der „Probe“ kommt es auf die örtlich 
wechselnde Verkehrssitte an. Von solcher abgesehen kann die Vereinbarung 
von Probe mit bestimmter Dauer ebensowohl bedeuten, dafs das Verhältnis 
während der Frist beiderseits fristlos gekündigt werden könne, als dafs es 
in dieser Frist unkündbar sein und jeder Teil ein Recht auf die Durchführung 
der Probe haben solle. Und wird der Vertrag „probeweise“ geschlossen ohne 
Bestimmung der Probezeit, so bleibt die normale Ordnung der Kündigung 
aufrecht. Wegen: der Probe beim Arbeitsverhältnis des Handlungsgehülfen 
s. Staub, Komm. z. HGB. 8 66 Anm. 4. 
3 Man zweifelt nicht daran, dafs die Ausschaltung der Kündigungsfrist 
zu den in die obligatorische (industrielle) Arbeitsordnung aufzunehmenden 
Bestimmungen gehört, obwohl GewO. 8 134b Nr. 3 „sofern es nicht bei den 
gesetzlichen Bestimmungen‘ bewenden soll“, nur die Aufnahme von Bestim- 
mungen „über die Frist der zulässigen Aufkündigung“, sowie über die Gründe 
der unbefristeten Kündigung verlangt; „die Frist“ umfafst eben auch deren 
Negation. ‘ . 
4 Vgl. z. B. Unger, Entscheidungen Nr, 55. Nr. 57. Nr. 58, L. IL.
	        
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