Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

IIX. Einbufse bis dahin verdienter Vergütung, . 645 
ringste Vorwurf trifft‘, so bedeutet die in Rede stehende Rechtsfolge 
eine sehr eingreifende Schranke des durch $$ 626. 627 verliehenen 
Kündigungsrechts. Der Arbeitnehmer kann es mitunter nur unter 
Verzicht auf den verdienten Arbeitslohn ausüben und mufs dafür 
büßsen, dafs seine bisherigen Leistungen — Arbeit und vielleicht auch 
Auslagen — für die Gegenpartei interesselos werden, und dies dadurch 
werden, dafs er in Ausübung eines ihm zustehenden Rechts das Ar- 
beitsverhältnis beendigt. Wo sodann die Kündigung seitens des Arbeit- 
gebers erfolgt wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers, 
bedeutet der Entzug des Entgeltes für die bisherigen Leistungen, weil 
diese infolge der Kündigung kein Interesse für den Arbeitgeber haben, 
eine grofse Verschärfung seines Kündigungsrechts. Denn das Gesetz 
begnügt sich nicht, ihm außer dieser unbefristeten Kündigung in $ 628 
Abs. 2 einen Auspruch auf Schadensersatz gegen den Arbeitnehmer 
zu gewähren, sondern es entbindet ihn überdies der Pflicht zur Gegen- 
leistung. Hierdurch bringt es eine empfindliche Imparität hervor. 
Denn wo durch vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers der 
Arbeitnehmer zur Kündigung veranlalst wird, hat er blofs den ge- 
dachten Schadensersatzanspruch, während im entsprechenden Falle der 
Arbeitgeber außer dem Schadensersatzanspruch unter Umständen 
auch noch das Recht hat. die ihm geleistete Arbeit unentgolten zu 
lassen. 
Angesichts der Singularität der betrachteten Ordnung? geht es 
nicht an, sie noch in anderen Fällen der Kündigung eines Dienst- 
verhältnisses anzuwenden, nämlich bei befristeter oder bei entfristeter 
Kündigung, obwohl hier der Thatbestand im übrigen dem des $ 628 
Abs. 1 gleich sein kann: Kündigung des Arbeitnehmers ohne Vertrags- 
widrigkeit des Anderen (oder Kündigung des Arbeitgebers wegen Ver- 
tragswidrigkeit des Anderen) und Interesselosigkeit infolge der Kün- 
dieung ®s. Einer Anwendung unseres Rechtssatzes auf aufserhalb des 
1 z, B. wenn ein Todesfall in seiner entfernt wohnenden: Familie ihm 
den wichtigen Grund zur unbefristeten Kündigung giebt. 
2 Denn dafs die bisherigen Leistungen infolge der (berechtigten) 
Kündigung für den Gläubiger kein Interesse haben, ist etwas ganz anderes, 
wie dafs die künftige Erfüllung eines Vertrags infolge des (unberechtigten) 
Verzugs für den Gläubiger kein Interesse hat: BGB. $ 326 Abs..2. $ 542 
Abs. 1. — Krückmann, Der Fortfall des Interesses und der Untergang des 
Schuldverhältnisses in Arch, f. civ. Praxis 90, 88—117 befaßt sich nicht mit 
der im Text betrachteten Ordnung. 
3 Auch auf die unbefristete Kündigung des Ehemannes aus BGB. 8 1358 
ist unser Satz nicht zu übertragen: die Frau soll nicht durch diese Kündigung 
um die von ihr.bis dahin verdiente Vergütung gebracht werden können.
	        
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