1V. Schadensersatzpflicht bei unbefristeter Kündigung, 649
gewährt die GewO. kein Argument gegen die Zulässigkeit; denn die
in $ 123 Abs. 3 vorkommende Erwähnung der Möglichkeit, dafs „in
den unter Nr. 8 gedachten Fällen dem Entlassenen ein Anspruch auf
Entschädigung zustehe“, erlaubt keineswegs den Schlufs auf sonstige
Unzulässigkeit. Da nämlich die gedachten Fälle nicht Vertrags-
widrigkeit des Empfängers der Kündigung voraussetzen, und überdies
dort dessen Schade, nicht der des Urhebers der Kündigung in Frage
kommt, so kann in der citierten Erwähnung und in dem übrigen
Schweigen der GewO. keine Ablehnung der Schadensersatzpflicht er-
blickt werden.
Aingegen muls man beim Überschreiten des gesetzlichen An-
wendungsgebietes (BGB. $ 628. HGB. $ 70 citt.) wohl im Auge be-
halten, dafs der die Schadensersatzpflicht statuierende Rechtssatz
singulär ist. Denn zunächst ist zu bedenken, dals die Schadens-
ersatzpflicht für den Empfänger der Kündigung eine zweite Konsequenz
seines vertragswidrigen Verhaltens bedeutet. Als erste hat er die
Kündigung selbst zu betrachten, die das Arbeitsverhältnis aufhebt, damit
auch ihm und nicht blofs ihrem Urheber möglicherweise Nachteil zu-
fügt. Durch sein vertragswidriges Verhalten zieht er sich nun außer
dieser unbefristeten Kündigung noch eine Schadensersatzpflicht zu. So-
dann ist die Kündigung Reaktion gegen jenes Verhalten, der Schadens-
ersatzanspruch jedoch eigentlich Reaktion gegen etwas anderes, nämlich
gegen den aus der Aufhebung des Verhältnisses entstandenen Nachteil.
Aber die Aufhebung hat der von ihrem Nachteil Betroffene (der
Kündigende) durch sein eigenes Faktum, die Kündigung, herbei-
geführt, wenngleich der Andere dieses Faktum veranlafst hat. Immer-
hin stand es dem ersteren rechtlich frei, das Verhältnis fortbestehen
zu lassen und sich mit dem Ersatz des Schadens zu begnügen, den
etwa das vertragswidrige Verhalten verursacht hat. Dann wäre dem aus
der Aufhebung des Verhältnisses folgenden Schaden vorgebeuet worden !.
die plötzlich Entlassenen für die übermäfsige Wirkung der vom Meister er-
griffenen Mafsregel aufkommen, der vielleicht ohne Schaden hätte befristet
kündigen können,
i Danach ist nicht als richtig anzuerkennen, es liege „nichts weiter vor
als die Anwendung des allgemeinen Grundsatzes, dafs, wer seine Vertrags-
pflichten verletzt, dem anderen Teil zum Schadensersatz verpflichtet ist“
Staub, Kommentar zu HBG. $ 70 Anm. 14 a. E.), Es liegt vielmehr ein
besonderer Grundsatz vor. Die Motive zu Entw. I BGB. Bd. I S, 470 rufen
zwar auch „die allgemeinen Rechtsgrundsätze“ an, allein Entw. I spricht in
S 566 auch nicht speciell von dem durch die Aufhebung des Dienst-
verhältnisses entstehenden Schaden. Auch Stadthagen, Arbeiterrecht
S, 119. 120, beruft sich nach den Motiven l. ce. auf „die allgemeinen Rechts-