I. Systematische Bedeutung. Verbreitung. ; 655
empfänglich: die Arbeitsleistung mag sich mit Geldleistung oder mit
einer anderen entgeltfähigen in synallagmatisches Verhältnis setzen,
immer kommt ein Arbeitsvertrag zu stande. Die Arbeitsleistung erweist
sich als die prinzipale im Arbeitsvertrag (S. 71. 72) auch darin, dafs
nur sie, und nicht das Wie der Entgeltleistung, über sein Dasein ent-
scheidet. Während ferner innerhalb der Gattung Arbeitsvertrag die
Differenzierung auf seiten der Arbeit zur Bildung von Typen des
Arbeitsvertrags führt, bleiben Unterschiede in der Art der Vergütung
ohne FEinflufs auf solche Typenbildung (S. 324). Und endlich wird
auch die Sonderung der Grundformen des Arbeitsvertrages von der
Art der Vergütung insofern nicht berührt, als die Geld- wie die
Naturalvergütung im Akkord nicht minder wie im Zeitlohnvertrag
vorkommen kann (S. 332).
Allein, trotz der unverkennbaren Herrschaft der Geldwirtschaft,
und trotzdem die Naturalvergütung des systematischen Einflusses auf
den Arbeitsvertrag entbehrt, ist sie weder zur ökonomischen noch
zur rechtlichen Bedeutungslosigkeit verurteilt. Zwar haben wir keine
allgemeine Statistik ihrer Frequenz*!, indessen besitzen wir einzelne
zuverlässige Erhebungen über ihr Vorkommen in einigen Teilen der
Volkswirtschaft ?, und außerdem kann man von vornherein auf be-
trächtliche Anwendungsgebiete des Arbeitsvertrags verweisen, in denen
dieser wenigstens vorläufig ohne Naturalvergütung gar nicht bestehen
zu können scheint*. Woher, möchte man demgegenüber fragen, ist
die Naturalleistung als Entgelt der Sachleistung so selten, der
Vausch vom Kauf fast verdrängt worden, während im Verhältnis zur
Arbeit die Naturalleistung ein ansehnliches Feld behauptet hat *? Das
1 Vgl. Rauchberg in Brauns Archiv 14, 242.
2? „Nach der Reichserhebung von 1892 (d. h. nach den Drucksachen der
Komm. f. Arbeiterstatistik, Erhebungen Nr. 1 Tab. IX%) standen 96,7% der
Arbeiter (in der Bäckerei) beim Meister in Wohnung, 90,8% in voller und
7,3% in teilweiser Kost, und 1,9% essen ausser dem Hause“: Arnold,
Münchener Bäckergewerbe S. 68. — Aus den citierten Drucksachen, Er-
hebungen Nr. 6 S. 120 ergiebt sich, dafs von 5956 befragten Gastwirts-
betrieben in 5142 oder 86,3% das Personal Kost und Wohnung im Hause des
Prinzipals hat, und zwar 64% der Kellner, 87,9% der Kellnerinnen und 78%
der Oberkellner. .
3 Das gilt von den Arbeitsverhältnissen der Landarbeiter und der See-
schiffsbesatzung.
4 Es ist keineswegs zutreffend, wenn Jhering, Zweck im Recht I?
S. 180, den Austausch zweier Realleistungen (im Gegensatz zur Geldleistung)
„als für die Verkehrsbewegung im ganzen und grofsen unerheblich“ be-
zeichnet. Selbst für den städtischen Verkehr läfst sich das nicht sagen.