II. BGB. Häusliche Gemeinschaft, 657
{I. In den Reichsgesetzen, die sich mit dem Arbeitsvertrag be-
schäftigen, wird nicht nur der Naturalvergütung Raum gelassen !,
sondern sie findet auch ausdrückliche Erwähnung. Das gilt zuvörderst
von BGB. 8 617, wo der Fall gesetzt wird, dal der Dienst-
verpflichtete „in die häusliche Gemeinschaft aufgenommen ist“, näm-
lich in die häusliche Gemeinschaft des Arbeitgebers. Diese Aufnahme
kann Naturalvergütung sein; sie mufs es nicht sein. Sie ist es dann
nicht, wenn die Dienstleistung anderweitig (z. B. durch Geldzahlung)
vergütet wird und der Dienstleistende seinerseits für jene Aufnahme
einen Entgelt, z. B. einen Mietzins, einen Pensionspreis entrichtet.
Die Entgeltung der Aufnahme in die häusliche Gemeinschaft kann,
statt durch Entrichtung eines Entgeltes seitens des Aufgenommenen,
auch dadurch geschehen, dafs der Geldwert der Zuwendung, die der
Arbeitgeber mit der Aufnahme macht, von der für die Arbeit ge-
schuldeten Geldvergütung in Abzug gebracht wird®. Auch in solchem
Falle ist die Aufnahme in die häusliche Gemeinschaft des Arbeit-
gebers nicht Naturalvergütung (unten S. 679). Diese Aufnahme ist hier-
nach mit Entgeltlichkeit der Aufnahme verträglich, und die in $ 617
statuierte Verpflichtung des Arbeitgebers, den aufgenommenen Arbeit-
nehmer, wenn er krank wird, pflegen und äÄrztlich behandeln zu
lassen, greift auch dann Platz, wenn dessen Aufnahme nicht Natural-
vergütung seiner Arbeit ist, sondern vom Aufgenommenen ent-
golten wird.
Sicherlich ist auch in BGB. $ 2028 der Begriff der häuslichen
Gemeinschaft nicht auf den Fall beschränkt, dafs der in ihr Befind-
liche damit vom Anderen eine Naturalvergütung für Arbeit erhält.
Vielmehr sind aufßserdem die Fälle möglich, dafs er gratis an der
Gemeinschaft teilnimmt, oder dafs er für die Teilnahme eine Gegen-
1 z. B. BGB. 88 611. 631. 652. 641 („in Geld festgesetzte Vergütung“),
8 346 („Gegenleistung in Geld bestimmt“); InvVG. $ 34 Abs. 3 („feste bare
Vergütung“); BeschlG. $ 3 („als Vergütung ist jeder dem Berechtigten ge-
bührende Vermögensvorteil anzusehen“).
? „In Heide und Preetz wohnen und essen allerdings die meisten Ge-
sellen (Schuhmacher), wenn auch wider Willen, beim Meister, wofür sie
6,50 Mk, oder 7 Mk, wöchentlich bezahlen“: Lage des Handwerks I, 26, „Ein
sweater hatte ein Zimmer mit drei Betten eingerichtet. Für jedes Bett er-
hält er Mk. 1,80. Auch gab er Frühstück und Mittagessen und berechnete
sich dafür 50 Pf.“: Herzberg, Schneiderei in München S. 112. Francke,
Schuhmacherei in Bayern S. 180 #nten.
3 z. B. Deutscher Buchdruckertarif $ 33: „Für freie Station (Kost und
Logis) kann bis zu 10 Mk. pro Woche in Abzug gebracht werden.“ Wegen
der Gültigkeit dieses Verfahrens s. oben S. 419.
Lotmar, Arbeitsvertrag, I.
A