Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

II. Begriff der häuslichen Gemeinschaft, 659 
der zwei Prästationen stattfindet. Nur würde es völlig gegen den 
Sprachgebrauch verstofsen, wenn man die Verpflegung schlechthin, 
d. h. ohne Rücksicht auf den Ort, an dem sie gewährt wird, als 
Aufnahme in die häusliche Gemeinschaft betrachten wollte. 
Die häusliche Gemeinschaft hat hiernach verschiedene 
Grade. Am weitesten geht sie, wo der Arbeitnehmer nicht blofs 
die möblierte Wohnung des Arbeitgebers teilt, sondern auch darin 
vom Arbeitgeber beköstigt wird. Insbesondere zur Wohnung kann 
nach Gesetz, Abrede oder Verkehrssitte mehr gehören als der ge- 
deckte, durch Wände und Thüre abgeschlossene, vom Tageslicht er- 
hellte Raum. Die gesetzlichen Anforderungen werden durch die An- 
sprüche der Gesundheit und der Sittlichkeit bestimmt ($ 618 Abs. 2); 
die Verkehrssitte richtet sich nach den sozialen Stellungen der Par- 
teien, nach Alter, Geschlecht und Beruf des Arbeitnehmers. Hiernach 
kann zur Wohnung gehören gewisses Mobiliar, sowie Bereit- und 
Reinhaltung von Raum und Mobiliar. Dafs die hierzu erforderliche 
Arbeit dem in die Hausgemeinschaft Aufgenommenen geleistet werde, 
kann einen Bestandteil dieser Gemeinschaft bilden. Er kann ferner 
aufßser auf diese auch auf persönliche Bedienung Anspruch haben?. 
Und endlich können zur Wohnung noch Beleuchtung und Heizung ge- 
hören, wieder mit mancherlei naheliegender Abstufung. 
Zum Begriff der häuslichen Gemeinschaft ist nicht erforderlich, dafs 
der Arbeitgeber eine ständige Wohnung habe. Er kann seine Woh- 
nung fortwährend wechseln, z. B. in Ausübung seines Berufs, wenn 
sie nur in der nachher zu bestimmenden Art vom Arbeitnehmer ge- 
teilt wird. Zum Begriff der häuslichen Gemeinschaft ist auch nicht 
erforderlich, dafs sich die Wohnung des Arbeitgebers in einem Bau- 
werk, somit in einer unbeweglichen Sache befinde, So kann der 
Artist, der sein Wohnbedürfnis in einem Wagen befriedigt, mit dem 
er die Messen und Märkte befährt, seinen Arbeitnehmer in die häus- 
liche Gemeinschaft aufnehmen. Auch innerhalb eines’ Schiffes kann 
häusliche Gemeinschaft stattfinden. 
ı Man denke an die in BGB. 8 622 vorkommenden höheren Angestellten, 
an Gutsinspektoren, Hülfsärzte in privaten Heilanstalten. Nach der Ham- 
burger Dienstbotenordnung $ 10 ist der Dienstbote verpflichtet, allen „zur 
Hausgenossenschaft der Dienstherrschaft gehörigen Personen seine Dienste 
zu leisten“; ähnlich Preufs. Gesindeordnung $ 58, Revid. GesO., f. d. Königr. 
Sachsen 8 33. — In dem Arbeitsvertrag eines Schreiners (mitgeteilt in Deutscher 
Holzarbeiterverband, Rechenschaftsbericht des Gauvorstandes u. s. w., München 
1900 S. 7) verpflichtet sich der Meister, „Kost und Logis zu geben, auch 
Vesper, Waschen und Flicken der Wäsche“.
	        
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