566 V. Abschn. Naturalvergütung. 1. Kap.: Naturalverg. in den Gesetzen.
trifft, soll doch wohl der Arbeitnehmer vom Gesetz nicht vor die
Wahl gestellt sein, entweder die Nichterfüllung der dem Arbeitgeber
obliegenden Pflichten zu dulden (und, wenn er an seiner Gesund-
heit Schaden genommen hat, Ersatz zu verlangen) oder das ihm
sonst zusagende Dienstverhältnis zu kündigen. Nach alledem wird dem
Arbeitnehmer wohl noch ein drittes Mittel zu Gebot stehen — ein
Mittel, das auch in den Fällen sittlicher oder religiöser Beein-
trächtigung und ebenso für das Gesinde ohıne Ansehen der Gesinde-
ordnung anwendbar ist*,
Und in der That, wenn sich Abs. 3 auch auf Abs. 2 bezieht,
wenn man danach sagen muß, dafs dem Dienstberechtigten gegen-
über dem in die häusliche Gemeinschaft aufgenommenen Dienst-
verpflichteten „Verpflichtungen obliegen“ sowohl in Ansehung der
Gesundheit als der Sittlichkeit als der Religion, Verpflichtungen, die
durch das Treffen von Einrichtungen und Anordnungen in Ansehung
des Wohn- und Schlafraumes, der Verpflegung, sowie der Arbeits-
und Erholungszeit zu erfüllen sind, so ist kein Grund dafür abzu-
sehen, warum diese Verpflichtungen vom Gesetz nur als Natural-
obligationen begründet worden seien. Diese Verpflichtungen sind
vielmehr normalerweise für klagbar zu halten: S. 241l. Es sind
Verpflichtungen zu Handlungen, wegen deren es nach CPO. 88 8587.
888 Zwangsvollstreckung giebt”. Statt zu kündigen, kann der
Gläubiger klagen, wie er klagen kann, wenn ihm eine durch Abrede
übernommene Verpflichtung hinsichtlich des Schlaf- oder Wohnraumes
oder der Verpflegung nicht erfüllt wird. Die Klage kann gerichtet
werden auf Erfüllung der Vernflichtung oder auf Ersatz des etwa
1 In den Fällen sittlicher oder religiöser Beeinträchtigung eines Dienst-
verpflichteten durch den Arbeitgeber ist, Vermögensschaden vorausgesetzt,
die Deliktsklage des $ 823 Abs. 2 BGB. anwendbar, da der Arbeitgeber durch
jene Beeinträchtigung „gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes
Gesetz (eben $ 618 Abs. 2) verstöfst“. Dies verneint Datmold in Göttinger
Festgabe für Regelsberger (1901) S. 325.
2? Es bedarf hier keines Hinweises darauf, dafs die Wirklichkeit zahl-
reiche Anlässe zur Klageerhebung bietet; s. z. B. die Schilderungen von
Cohen, Lohn- und Arbeitsverhältnisse der Münchener Kelinerinnen (Brauns
Archiv V, 114. 115) oder Landarbeiter in den evang. Gebieten I, 36: „Die
Betten der Knechte sind in den Pferdeställen sehr feucht. Wenn die Knechte
das Bett aufklappen, so dunstet es und ist schwer von Wasser. Oft tröpfelt
das Wasser auf das Bett herab von dem Atem der Pferde.“ — Angesichts
von BGB. 8 618 ist nicht mehr zutreffend, dafs in Gastwirtschaften „dem
Personal ein Recht, freie Zeit zum Besuche des Gottesdienstes zu verlangen,
nicht zusteht“ (Komm. f. Arbeiterstat., Verhandlungen Nr. 18 S. 18).