Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

672 V. Abschn. Naturalvergütung. 1. Kap.: Naturalverg. in den Gesetzen. 
währten Beköstigung“. Wenn es in InvVG. $ 3 Abs. 2 heifst: 
„Eine Beschäftigung, für welche als Entgelt nur freier Unter- 
halt gewährt wird, gilt im Sinn dieses Gesetzes nicht als eine die 
Versicherungspflicht begründende Beschäftigung“: so ergiebt sich doch 
aus $ 24, dafs auch solche land- oder forstwirtschaftliche Arbeiter ver- 
sicherungspflichtig sind, welche „ihren Lohn oder Gehalt ganz oder 
zum Teil in Form von Naturalleistungen bezogen haben“. — Für den 
Begriff der Naturalvergütung ist es gleichgültig, ob die Naturalleistung 
den einzigen Entgelt der im Arbeitsvertrag zugesagten Arbeit bildet, 
oder ob neben ihr Geldvergütung vereinbart wird. Die letztere Ver- 
bindung ist uns in den Gesetzen wiederholt begegnet, z. B. HGB. 
88 63 Abs. 1. 71 Nr. 2 (S. 668), 
In KO. 861 Nr. 1 und Ges. über die Zwangsversteigerung $ 10 
Nr. 2 umfassen die neben „Lohn, Kostgeld“ angeführten „anderen 
Dienstbezüge“ bezw. „andere Bezüge“ der dort genannten Arbeit- 
nehmer auch die Naturalvergütung. 
VI. Nicht alle den Arbeitsvertrag regelnden Reichsgesetze be- 
fassen sich mit der Naturalvergütung. So nicht die GewO., obwohl 
doch zahlreiche gewerbliche Arbeitsverträge Naturalvergütung als ein- 
zige oder als wichtigen Teil der Vergütung enthalten. Zwar kann 
nach $ 1142 Abs. 2 der Bundesrat verfügen, dafs in die von ihm für 
bestimmte Gewerbe vorzuschreibenden Lohnbücher oder Arbeitszettel 
„auch die Bedingungen für die Gewährung von Kost und Wohnung 
einzutragen sind, sofern Kost oder Wohnung als Lohn oder Teil des 
Lohnes gewährt werden sollen“. Allein die hier genannten „Bedin- 
gungen“ sind, wie Abs, 1 Nr. 3 lehrt, Geldbeträge, diejenigen näm- 
lich, zu welchen Kost oder Wohnung bei der Entlohnung angerechnet 
werden sollen. Kost und Wohnung sind daher hier nicht Natural- 
yergütungen, sondern werden an Zahlungsstatt gewährt (Kap. 2 Nr. II) 
dder kreditweise so verabfolgt, dafs der Geldbetrag, zu dem sie im 
Lohnbuch oder auf dem Arbeitszettel veranschlagt sind, mit der Geld- 
lohnforderung verrechnet wird (S. 419. 420)% — Wenn der gewerb- 
1 In einer Statistik über „die Lage der deutschen Holzarbeiter“ (Stutt- 
gyart 1899) S. 6. 14. 21 wird die Verbindung von Geldlohn mit Kost und Logis 
als „Halblohn“ bezeichnet, 
? Da die Vornahme dieser Geschäfte (datio in solutum resp. Kompensation) 
und die Erfüllung, d. i. die Naturalvergütung, zweierlei und beides nicht ver- 
einbar ist, so liegt in deı für Naturalvergütung sprechenden Fassung der 
Schlufsworte („sofern—sollen“) ein Redaktionsfehler, wie solche in der GewO. 
öfter als in anderen Reichsgesetzen vorkommen.
	        
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