Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

II. Naturalleistung an Erfüllungsstatt. GewO. $ 115. 679 
vor, die schuldigen Geldlöhne in Reichswährung zu berechnen und 
in dieser Währung bar auszuzahlen!. 
Eine Bestätigung unserer Auffassung giebt denn: auch GewO. 
$ 116, der, auf den in Rede stehenden $ 115 bezugnehmend, sagt: 
„Arbeiter, deren Forderungen in einer dem $ 115 zuwiderlaufenden 
Weise berichtigt worden sind, können zu jeder Zeit Zahlung nach 
Mafsgabe des $ 115 verlangen, ohne dafs ihnen eine Einrede aus 
dem an Zahlungsstatt Gegebenen entgegengesetzt werden 
kann.“ (S. 4161) Hieraus erhellt unmittelbar, daß 5$ 115 die 
Leistung an Zahlungsstatt hintanhalten will, während er die Statt- 
haftigkeit der Vereinbarung von Naturalvergütung unberührt und un- 
erwähnt läßt. 
Die in $ 115 Abs. 2 Satz 2 aufgestellten Ausnahmen vom 
Kreditierungsverbot des ersten Satzes? sind nicht etwa gestattete 
Naturalvergütungen, sondern die Naturalien, die dem Arbeitnehmer 
kreditweise verabfolgt werden dürfen, werden ihm verabfolgt „unter 
Anrechnung bei der Lohnzahlung“. Die GewO. setzt hier wieder auf 
seiten des Arbeitgebers eine‘ durch den Arbeitsvertrag begründete 
Geldschuld voraus. Zur Tilgung dieser Geldschuld durch Kompen- 
sation soll die Forderung verwendet werden dürfen, die der Arbeit- 
geber durch die Kreditierung gewisser Naturalgaben erworben hat 
(S. 415. 416). Diese Forderung ist als Kosten- oder Preisforderung * 
eine Geldforderung und insofern aufrechenbar gegenüber der Geld- 
lohnforderung. Nicht also die Naturalvergütung, die ohnedies zu- 
Jässig ist, sondern die Aufrechnung von Geldforderungen für Natural- 
leistungen gegen die Geldlohnforderungen wird durch $ 115 Abs. 2 
Satz 2 ausnahmsweise zugelassen *. 
1 Nicht wider die GewO. ist auch das sog. Ticketsystem. Die Ham- 
burger Schauerleute stellten im November 1896 an die Stauer die Forderung: 
„Auszahlung des Lohnes nach dem Ticketsystem: dem Arbeiter ist sofort 
nach beendeter Arbeit ein Lohnzettel zu behändigen, auf den er seinen Lohn 
jederzeit erheben kann.“ Bericht der Senatskommission u. s. w. S. 42 vgl. 46. 
23, 24. Die Einhändigung des Lohnzettels ist weder Zahlung noch Leistung 
an Zahlungsstatt noch Anweisung, sondern Legitimation zur Empfangnahme 
der Geldzahlung aus der Hand des Schuldners oder seines Vertreters. Das 
Nämliche gilt von der „auf den Rheder ausgestellten, auf Sicht zahlbaren 
Anweisung“, mittelst welcher nach SeemO. 8 38 die Zahlungen an Schiffsleute 
gemacht werden können. 
2 „Sie (die Gewerbetreibenden) dürfen den Arbeitern keine Waren 
kreditieren.“ Oben 5. 415. 
38 8115 Abs. 2: „Betrag der Anschaffungskosten.“ „Miet- und Pacht- 
preise.“ „Betrag der durchschnittlichen Selbstkosten.“ 
4 Bericht der württemb. Fabrikinsp. f. 1898 S. 45: „Dagegen ist es in
	        
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