IV. Wohlfahrtseinrichtung.
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richtungen zur Herrichtung von Speisen und Getränken zur Ver-
fügung zu stellen“!. Aus diesen und ähnlichen gesetzlichen und be-
hördlichen Bestimmungen ergeben sich keine Naturalvergütungen: die
dem Arbeitgeber auferlegten Leistungen sind nicht, wie die Vergütung
des Arbeitsvertrags, ausdrücklich oder stillschweigend vereinbarte, und
sind zu machen ohne Rücksicht auf den Bestand eines gültigen
Arbeitsvertrags , sobald Betrieb und Beschäftigung stattfinden (vgl.
S. 2421).
Wohlfahrtseinrichtungen sodann, die nicht auf behördlicher An-
ordnung beruhen, sind Liberalitäten im Rechtssinn, auch wenn sie es
im ethischen oder im ökonomischen Sinn nicht sein sollten, weil etwa
das Eigeninteresse des Urhebers als Motiv mitwirkt oder wirklich
Aureh jene Einrichtungen gefördert wird®. Dafs sie Liberalitäten
sind, schlielst zwar nicht aus, dafs der Arbeitnehmer für die Dauer
seines Arbeitsverhältnisses einen klagbaren Anspruch auf den Genufs
der Wohlfahrtseinrichtung habe, aber die Naturalleistung, die ihm
hier zu teil wird, kann nicht Entgelt sein, wenn sie Vollzug einer
Liberalität ist. Mit dem Abschluls des Arbeitsvertrags macht sich der
Arbeitgeber anheischig, den Arbeitnehmer an gewissen Wohlfahrts-
einrichtungen teilnehmen zu lassen — er kann ihn daher in der
Folge nicht beliebig davon ausschließen —, ohne dafs doch das, was
dem Arbeitnehmer hierdurch zu gute kommt, Entgelt seiner Arbeit
sein müßte®.
Der Gewährung des Entgeltes und daher auch der Natural-
vergütung ist es im Gegensatz zu der einer Wohlfahrtseinrichtung
sigentümlich, daß der Umfang der Vergütung in einem mehr oder
weniger bestimmten und deutlichen Verhältnis zum Umfang der
Arbeit steht, während der Genufs der Wohlfahrtseinrichtung dem
Arbeitnehmer als solchem und ohne Rücksicht auf den Umfang seiner
Arbeitsleistung beschieden ist. So richtet sich z. B. bei der Verab-
reichung der Schulrequisiten das Mafs dieser Gabe nach Zahl und
Alter der Kinder, nicht nach dem Umfang der vom Vater geleisteten
ı RGBl. 1892 S. 334 Nr. II, 5 Abs. 2.
3... . zweifellos haben diese Einrichtungen noch den Zweck, einen
Stamm von tüchtigen Arbeitern dem Betrieb auch dauernd zu erhalten“:
Württemb. Fabrikinspektion f. 1898 S. 48. 97. 152. Buchenberger, Grund-
züge der deutschen Agrarpolitik? S, 168. 169. Vgl. auch Schriften des Vereins
für Socialpol. Bd. 47 S. 198. 199.
® Dies gilt z. B. von der kostenfreien Verabfolgung von Schulrequisiten,
Benutzung einer Bibliothek, Gelegenheit, die Zähne zahnärztlich untersuchen
and behandeln zu lassen: Bayr. Fabrikinsp. f. 1897 S. 433. Württembergische
f. 1898 S. 143.