686 V. Abschn. Naturalvergütung. 2. Kap.: Abgrenzung.
Arbeit. Das Entsprechende gilt von der freien ärztlichen Behandlung
in Krankheiten, die dem Arbeitnehmer für sich oder auch für die
Seinigen zugesagt ist!; das Mals auch dieser Leistung bestimmt sich
nicht nach dem Umfang der Arbeit, sondern des Heilbedürfnisses?.
Anders steht es dagegen um die Hausbrandkohlen®. Wo ihre Ge-
währung Brauch ist, kann sie aus jedem Arbeitsvertrag beansprucht
werden, in welchem sie nicht ausgeschlossen worden ist. Als Haus-
brandkohlen können sie nur für den laufenden, einigermafsen voraus
bestimmbaren Bedarf des Hauses d. h. der Wirtschaft des Arbeit-
nehmers beansprucht, nicht in beliebiger Menge zum Wiederverkauf
bezogen werden. Demgemäfs besteht auch ein gewisses Verhältnis
zwischen dem Umfang des Bezugs und dem der Arbeit, indem jener
bald ausdrücklich, bald stillschweigend durch die Länge der Brutto-
arbeitszeit bestimmt wird*; von solchem Quantitätsverhältnis kann bei
der freien ärztlichen Behandlung nicht die Rede sein.
V. Hatten wir im Bisherigen zu fragen, ob eine in einem Ar-
beitsvertrag vorkommende Naturalleistung des Arbeitgebers die Be-
deutung einer Naturalvergütung habe, so ist nun noch auf Fälle
hinzuweisen, wo beim synallagmatischen Zusammentreffen von Arbeit
und Naturalleistung gerade zweifelhaft ist, ob ein Arbeitsvertrag vor-
liegt, während bei Annahme eines solchen am Dasein von Natural-
vergütung nicht zu zweifeln wäre. Es ist hierbei an Fälle zu denken,
in denen eine Naturalleistung gegeben ist, welcher eine Geldleistung
1 z, B. Verhältnisse der Landarbeiter III, 247. 299. 309. Vorster, Die
Grofsindustrie S. 12. Die Arzneimittel läfst im ostelbischen Deutschland der
ländliche Arbeitgeber den Arbeitnehmer selbst bezahlen, da sie andernfalls
von diesem nicht genommen, ja sogar fortgeworfen werden: Verhältnisse der
Landarbeiter III, 143. 247. 309.
? Wo „die erforderliche Verpflegung und ärztliche Behandlung“ dem in
die häusliche Gemeinschaft aufgenommenen kranken Arbeitnehmer gemäfs
BGB. 8 617 zu gewähren sind, bilden sie aus den S. 662. 663 angegebenen
Gründen nicht eine Naturalvergütung.
8 „In den Steinkohlenbezirken besteht der Brauch, dafs die Gruben
ihren Arbeitern den Bedarf an Hausbrandkohlen zu ermäfsigten Preisen,
mitunter sogar umsonst abgeben.“ (Preufsische) Denkschrift über die Unter-
suchung ... in den Steinkohlenbezirken (1890) S. 36. Nach der Meinung der
Denkschrift handelt es sich hier „um eine reine Freigebigkeit“. Danach
würde die Kohlenverabreichung nicht Naturalvergütung, sondern Wohlfahrts-
einrichtung sein.
4 Vgl. die citierte Denkschrift a, a. O.: „In Niederschlesien beträgt die
den Arbeitern unentgeltlich bewilligte Menge Hausbrandkohlen monatlich bis
zu 8 Ctr.“