IL Berufliche. Ausbildung des Lehrlings. f 693
nisse und Fertigkeiten, die. der Arbeitgeber als Lehrmeister
dem Lehrling als seinem Arbeitnehmer überliefert. Hierdurch wird
das Bedürfnis der Berufsbildung beim Arbeitnehmer befriedigt, und
ihm so ein wirtschaftliches Gut verschafft, wie wenn er durch Ge-
währung handgreiflicher Werkzeuge belohnt würde. Freilich besteht
hier die Vermögenszuwendung in der Steigerung seiner Erwerbsfähig-
keit, indem er in stand gesetzt wird, seinerseits wertvollere, folglich
für ihn einträglichere Arbeit zu leisten (S. 83. 84), und insofern könnte
diese Naturalvergütung zur zweiten Art gezählt, als Erwerbsgelegen-
heit betrachtet werden. Weil sie aber in den Arbeitnehmer selbst
eingeht, sich mit seiner Person verbindet, wie die Nahrungsmittel, ist
sie mehr als Erwerbsgelegenheit, die aus den äufseren Umständen
besteht, welche dem Erwerb zur Grundlage dienen. — Dafs die Kennt-
nisse und Fertigkeiten eines Berufs als Vergütung gelten, hat einen
uneigentlichen Lehrvertrag zur Voraussetzung, nämlich einen Arbeits-
vertrag, kraft dessen nicht Lehrgeld von seiten des Lehrlings ent-
richtet wird, sondern der Lehrling für die von ihm geleistete an-
fängerhafte Arbeit Unterweisung im Berufe als Entgelt empfängt, sei
es diese allein, sei es mit Zusatz von anderweitigem Natural- oder
Geldlohn; der letztere wird mitunter als Kostgeld, Taschengeld oder
Entschädigung bezeichnet!. Wo solcher Zusatz fehlt oder ungewöhn-
lich niedrig ist?, wird entweder der naturale, in Ausbildung bestehende
Lohn sehr hoch veranschlagt, oder der wirtschaftliche Erfolg der Lehr-
lingsarbeit etwa wegen des Materialverderbs gering geschätzt, oder aber
der Lehrling ausgebeutet. Eine Ausbeutung dieser Art liegt vornehmlich
da vor, wo die in. Ausbildung bestehende Naturalvergütung von An-
fang an geringwertig ist®, oder mit fortschreitender Lehrzeit die Aus-
ı Webb, Theorie und Praxis der engl. Gewerkvereine (deutsch von
Hugo) II, 4, von dem mit einem Handwerksmeister schriftlich geschlossenen
Lehrvertrag älterer Zeit in England redend: „Der Meister verpflichtete sich,
den Lehrlingen alle Geheimnisse seines Handwerks zu lehren. Die Lehrlinge
verpflichteten sich, eine lange Zeit um Löhne zu dienen, die unter den Markt-
Sätzen waren. Der «Unterricht ist ihr Lohn”, wie es Paley bündig und
geschickt ausdrückt.“
. a Aufser den Belegen 8. 791 s. z. B. Sander, Lage des Friseur- und
Barbiergewerbes 8. 55. 56. ‘ Bericht der Senatskommission über die Verhält-
nisse im Hamburger Hafen S. 56. Corvey, Arbeitsverhältnisse der Ver-
käuferinnen (Arbeiterfreund 38. Jahrg. S. 7/8): „Im allgemeinen bezahlen die
Lehrmädehen nichts und sie bekommen auch nichts,“
3 Wo überhaupt keine Lehrthätigkeit auf den Anfänger verwandt wird,
kann natürlich auch nicht von in Lehrthätigkeit bestehender Naturalvergütung
die Rede sein.