Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

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I. Abschn. 1. Kap.: Begriff und Terminologie. 
gedachten Arbeitsvertrags in den Begriff des Kaufs als der adäquate 
Ausdruck realer Verhältnisse und zwar einer Wirklichkeit, die sich 
erst in langem Prozefs herausgebildet hat, mit einem Wort: einer 
historischen Entwicklungsstufe. Das Kennzeichen der Ware, wenn man 
dieses Wort nicht farblos und dogmatisch mit Kaufobjekt identifiziert — 
was hier einer petitio prineipii gleichkäme —, ist, für den Verkauf, 
A. h. nicht zum unmittelbarem Verbrauch des Erzeugers, erzeugt zu 
sein. Die Ware hat demnach für den Warenbesitzer keinen spezifischen 
Gebrauchswert, ihre ausschlielsende, wesentliche Funktion ist es, im 
Umsatz verwertet zu werden. Solange nun der Besitzer der Arbeits- 
kraft selber mit den Produktionsmitteln versehen ist, kann er mit 
beidem Waren schaffen. Erst wenn er der Produktionsmittel entblöfst, 
wenn ihm nur noch die Arbeitskraft verfügbar ist, wird die Arbeits- 
kraft selbst etwas, das er für fremde Produktion hergeben, somit aus- 
schließlich für den Umsatz in Geld haben und erneuern muß. Unter 
diesen Umständen verliert seine Arbeitskraft für ihn den specifischen 
Gebrauchswert. Nur noch als Tauschobjekt verwertbar wird sie für 
ihn und für ihren Abnehmer zur Ware, und daher mufs sich ihre 
entgeltliche Hinnahme und Hergabe als Kauf und Verkauf der Arbeit 
oder Arbeitskraft darstellen. Es handelt sich hier also nicht um ver- 
schiedene Betrachtung des nämlichen, unverändert gebliebenen Her- 
gangs, sondern um die zutreffende Bezeichnung einer neuen Formation 
der politischen Ökonomie. Kauf und Verkauf der Arbeitskraft des 
freien und besitzlosen Arbeiters (labouring poor) als Massenerscheinung 
ist ein Kennzeichen der kapitalistischen Produktionsweise *. 
Wie sehr dieses Kauftheorem dem Kapitalismus auf den Leib ge- 
schnitten ist. zeiet sich an dem Gebrauch, den davon die Kapitalisten 
bezeichnete Erwerbsgeschäfte haben daneben eigene Namen, v. Amira, Nord- 
germanisches Obligationenrecht II, 288 fg. 677. 772; vgl. I, 542 zu %. — Die 
Eisenbahn VO. sagt 8 13 „Verkauf der Fahrkarten“, 8 17 „Einzelne bestimmte 
Plätze werden nicht verkauft.“ AuswG. 8 26 „Der Verkauf von Fahrscheinen 
an Auswanderer“ — obwohl es sich hier um Arbeitsverträge und nicht um 
Kaufverträge handelt, so wenig als bei dem Billetkauf fürs Theater: vgl. Opet, 
Deutsches Theaterrecht S. 221. 
! Ricardo, Principles of Political Economy ch. 5: Labour, like all other 
things which are purchased and sold — has its natural and its market price. 
Marx, Kapital I*, 129—139 („Kauf und Verkauf der Arbeitskraft“): „Was also 
die kapitalistische Epoche charakterisiert, ist dafs die Arbeitskraft für den 
Arbeiter selbst die Form einer ihm gehörigen Ware, seine Arbeit daher die 
Form der Lohnarbeit erhält,“ Vgl. auch Rodbertus, Kapital (ed. Kozak 1884) 
S. 202: „Die Arbeit... kommt um ihr persönliches Recht und wird als Sache, 
als Ware, verhandelt ...“
	        
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