Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

706 V. Abschn. Naturalvergütung. 4. Kap.: Erwerbsgelegenheit. 
nehmers vertragsmäfsig schmälern, indem er ihm ein bestimmtes 
Quantum oder eine bestimmte Quote nicht beläßt; hierdurch wird die 
Einträglichkeit der Erwerbsgelegenheit vermindert. Die darauf ge- 
richtete Abrede bedeutet Gewährung einer kleineren Naturalvergütung. 
Eine solche Schmälerung kann mittelbar oder unmittelbar dem Arbeit- 
geber zum Vorteil gereichen. Mittelbar, wenn der Betrag, welchem 
der Arbeitnehmer entsagen muls, als Vergütung für einen ihm unter- 
geordneten Gehülfen verwendet wird, der auch dann als Arbeitnehmer 
des Ersteren zu betrachten ist (S. 3131), wenn dem Wirt eine gewisse 
Direktion seiner Arbeit zusteht (vgl. S. 105) und der Wirt ihn aus 
Eigenem besolden müfste, falls die Besoldung nicht dem Ersteren 
auferlegt worden wäre!, Unmittelbar gereicht die erwähnte 
Schmälerung des Trinkgeldeinkommens dem Arbeitgeber zum Vorteil, 
wenn der bestimmte Betrag an ihn abgeführt wird®. 
Die letztere Ordnung wird nicht selten bei der Anstellung von 
Zahl- und von Oberkellnern getroffen®. Dafs in diesen Fällen ver- 
tragsmäfsig vom Kellner dem Prinzipal eine Zahlung gemacht wird, 
hat verführt, dieser Zahlung den Sinn einer Gegenleistung beizulegen, 
der Arbeitszusage und Arbeitspflicht des Kellners nicht zu 
achten und statt eines Arbeitsverhältnisses Pacht anzunehmen. Allein 
die Erwerbsgelegenheit kann hier nicht Pachtobjekt sein, weil die auf 
ihre Realisierung verwandte Arbeit eine dem Wirt geschuldete Leistung 
ist, während der Pächter durch die Bearbeitung des Pachtobjekts keine 
Leistung macht (S. 72?). Daher dient die dem Wirt gemachte Zahlung 
nur dazu, die dem Arbeitnehmer in der Erwerbsgelegenheit gewährte 
Vergütung auf den vertragsmäfsigen Umfang zu bringen*, Gleichwohl 
ist in Fällen dieser Art wiederholt Pacht angenommen worden ®, sogar 
1 Citierte Verhandlungen Nr. 16 S. 68. 78. 76. 85 (Zahlkellner in Berliner, 
Breslauer und Leipziger Kaffeehäusern, die aus der Trinkgeldeinnahme pro 
Tag oder Nacht dem „Schlepper“ oder „Zuträger“ und dem Lehrling einen 
gewissen Betrag zu zahlen haben). Erhebungen Nr. 6 S. 122. Trefz, Wirts- 
gewerbe in München S. 208. 215. 216 (Kellnerinnen, sog. Kassiererinnen, die 
aus den Trinkgeldern den Lohn des „Wassermädchens“ oder des „Bier- 
mädchens“ zahlen). Oben S. 163%, 
? Natürlich nicht etwa als Entgelt für Gewährung von Schlafstelle 
oder für Beförderung zur Arbeitsstelle wie in dem in Gewerbegericht IIT, 53 
mitgeteilten Falle. 
3 Citierte Verhandlungen Nr. 16 S. 47. 68. 73. 76. 85. Vgl. auch Soe. 
Praxis VIIL, 1783/74. 453. 
4 Die Erwerbsgelegenheit soll ihm nicht ganz zu Gute kommen, wie 
sie auch zeitlich oder räumlich, und dadurch indirekt im Ergebnis, beschränkt 
werden kann: S. 705. 
5 z, B. cit. Erhebungen Nr. 6 S. 122. Cohen in Soc. Praxis VIII, 779.
	        
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