46 I. Abschn. 1. Kap.: Begriff und Terminologie.
und Arbeitsvertrag trennende System, welches vor etwa zweitausend
Jahren im Recht der Römer geschaffen und von der Jurisprudenz
fortgepflanzt worden ist. Wenn die Alten dem Arbeitsvertrag seinen
Platz neben dem Kauf, nicht innerhalb desselben angewiesen haben,
so mufs schon ihnen irgend ein tiefgreifender Unterschied deutlich und
bestimmend gewesen sein!. Und wenn dagegen die moderne National-
ökonomie, nicht ohne Kenntnis der juristischen Distinktion und im
Bewulstsein der spezifischen Merkmale des Verkaufs von Arbeit oder
Arbeitskraft, an ihrer der kapitalistischen Wirtschaft entsprechenden
Auffassung festhält?, so müssen wir dies auf einen tieferen, mit einem
wesentlichen Unterschied beider Wissenschaften zusammenhängenden
Grund zurückführen. Dieser Grund liegt in Folgendem.
Die Nationalökonomie interessiert sich weniger für das vom
Arbeitsvertrag gebotene Verhältnis von Leistung und Gegenleistung,
1 Nach Brentano im Handwörterb. d. Staatswissenschaften IV, 612
„haben schon die römischen Juristen hervorgehoben, dafs dieselben Regeln
wie für den Kaufvertrag für den Arbeitsvertrag des Freien oder die Dienst-
miete mafsgebend seien.“ Er beruft sich auf 2 p. D. 19, 2 (Gaius): Locatio
et conductio proxima est emptioni et venditioni isdemque iuris regulis constitit.
Allein zur Begründung der Identität der Rechtsregeln führt der Römer nur
an, dafs beide Verträge mit der Übereinkunft über die Vergütung zu stande
kommen; dafs sie, worauf es ankäme, in Ansehung der anderen Leistung
gleich geregelt seien, sagt der Römer nicht. In Inst. III, 142 ist er mit
„similibus regulis“ mafsvoller. Seine Übertreibung kennzeichnet schon Ulpians
Wort: non similiter locationes ut venditiones fiunt (63 D. 21, 2), Und man
braucht sich blofs zu erinnern, dafs es bei locatio keine Eviktions-, wie keine
ädilizische Haftung giebt, von kleineren Unterschieden zu schweigen.
? 8. z. B. noch Roscher, System der Volkswirtschaft I 88 160. 164—166.
Kleinwächter in Schönbergs Handbuch I®, 221 (die Unternehmung „als
ständiger Käufer von Rohstoffen und Arbeitskräften“). Mithoff ebenda
S. 628: „Der Arbeiter ist somit nach der heutigen Erwerbsordnung Verkäufer
seiner Arbeitskraft, der Arbeitgeber ist Käufer, Die Arbeitskraft ist eine
Ware, um die sich ein Preiskampf zwischen Käufer und Verkäufer entspinnt,
dessen Ergebnis der Arbeitslohn ist, Derselbe ist hiernach der für die Ware
Arbeit gezahlte Preis.“ Tönnies im Archiv f, öffentl. Recht X, 185: „Wenn
aber dieser (der moderne Arbeitsvertrag) konstruiert wird als das, wofür ihn
jeder politische Ökonom ansieht, sc. als Kauf...“ Vgl. auch Rosin, Arbeiter-
versicherung I, 140. 141. Andererseits nach L. v. Buch, Intensität der Arbeit,
Wert und Preis der Waren (1896) S. 73 „leuchtet ein, dafs die Arbeitskraft
in keinem Falle als Ware bezeichnet werden kann: diese beiden Begriffe
haben miteinander nichts gemein, insofern nämlich die Arbeitskraft Energie
ist, welche in mechanische Arbeit noch nicht verwandelt ist, die Ware aber
die in mechanische Arbeit bereits verwandelte Energie ist“. Auf diese Argu-
menfation, die uns nicht schlüssig zu sein scheint, hier näher einzugehen.
würde zu weit führen.