Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

ı. „Patriarchalischer“ Charakter der Naturalvergütung. 738 
Für das Recht unbefristeter Kündigung wegen Vorenthaltung oder 
mangelhafter Gewährung der Naturalvergütung braucht bei Betriebs- 
beamten, Werkmeistern und den anderen in GewO. $ 1332 bezeich- 
neten Arbeitnehmern keine Analogie in Anspruch genommen zu werden. 
Denn nach GewO. $ 1334 Nr. 2 können sie unbefristet kündigen, 
„wenn der Arbeitgeber die vertragsmäfsigen Leistungen nicht gewährt“. 
Unter diese. Leistungen fällt ohne weiteres die Naturalvergütung. 
Es kann hiernach nicht zweifelhaft sein, dafs die Versagung der 
gehörigen Naturalvergütung einen wichtigen Grund der unbefristeten 
Kündigung im Sinne von BGB. $ 626 abgeben kann. Andererseits kann 
die Gewährung von Naturalvergütung für den Arbeitgeber zum Anlafs 
aufserordentlicher Kündigung werden, z. B. wenn der Arbeitnehmer 
die vergütungsweise eingeräumte Wohnung beschädigt oder gewisse 
aus seiner Aufnahme in die Hausgemeinschaft erwachsene Pflichten 
(Kap. 7) nicht erfüllt. Dergleichen kann bei der Geldvergütung nicht 
vorkommen. 
Siebentes Kapitel. 
Vergleichung von Geld- und Naturalvergütung. 
[. Bei Vergleichung der Geld- und der Naturalvergütung dürfen die 
innerhalb der letzteren obwaltenden Unterschiede nicht aufßser acht 
gelassen werden. Neben der Einheit im Wesentlichen, dafs sie nicht 
Geldvergütung sind, weisen die Erscheinungen der Naturalvergütung 
eine so grofse Mannigfaltigkeit auf, dafs nicht jede Differenz vom 
Geldlohn, die sich bei einer dieser Erscheinungen zeigt, als eine 
Eigentümlichkeit der Naturalvergütung überhaupt betrachtet werden 
kann. 
Der juristische Begriff der Naturalvergütung, der den erschöpfenden 
Gegensatz zur Geldvergütung bildet, reicht über den nationalöko- 
nomischen hinaus. Der letztere liegt allein auf dem Gebiet der 
Naturalwirtschaft. Hingegen die Gelderwerbsgelegenheit, die offen- 
sichtlich keine Geldvergütung ist, hat nichts mit Naturalwirtschaft zu 
thun. So wenig wie das Naturalwirtschaftliche ist das Patriarchalische 
etwas der Naturalvergütung als solcher Zukommendes und sie durch- 
gängig von der Geldvergütung Unterscheidendes. Weder die voll- 
ständige noch die partielle Naturallöhnung ist an sich und immer 
patriarchalisch, wenn man hierbei an etwas Ursprüngliches, Alter- 
tümliches, eine persönliche Beziehung der Beteiligten Einschliefsendes 
denkt. Diese Merkmale sind vorab in zahlreichen Fällen der Natural-
	        
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