742 V.Abschn. Naturalvergütung. 7. Kap.: Vergleichung v. Geld-u, Naturalverg.
IV. Hat der Geldlohn, im Gegensatz zum Naturallohn, etwas
Festes, Bestimmtes, so ist er dafür in den Händen des Arbeitnehmers
äufserst umwandlungsfähig. Dieser kann ihn in eine Reihe von Waren,
Leistungen, Genüssen umsetzen, die nur begrenzt wird durch seine Gering-
fügigkeit oder den Mangel an Verkehr. Das einförmige Geld ist des
gröfsten Formwechsels fähig und verleiht hierdurch dem damit ge-
lohnten Arbeitnehmer eine Wahlfreiheit, die von der Naturalvergütung
versagt wird. In der Mehrzahl ihrer Arten unbestimmt nach Umfang
und Güte und damit dem Arbeitgeber Spielraum lassend, hat sie für
den Arbeitnehmer bald keine bald nur geringe Umsetzbarkeit und
insofern nur einen bestimmten, beschränkten Gebrauchswert. Sie
kann dann nur in der Art, an dem Ort und zu der Zeit, da sie ge-
währt wird, und nicht anders gebraucht oder genossen noch sonst
verwertet werden (S. 696. 670%). Am meisten gilt dies von der durch
Aufnahme in die häusliche Gemeinschaft des Arbeitgebers gewährten !.
Auch die Naturalvergütung, welche in Ausbildung (Lehre) oder
in Gelegenheit zum Trinkgelderwerb besteht, ist nicht transformierbar,
Die Landnutzung ist des Umsatzes in Geld wohl fähig, d. h. der
Arbeitnehmer kann, soweit es der Arbeitsvertrag nicht hindert, sie
zu Gelde machen, wie er auch als Naturallohn empfangene Kleider,
Leinwand, Dreschanteile, Deputate verkaufen kann. Allein es ist eine
mit der Natur des Geldes gegebene Thatsache, dals sich Geld leichter
in andere Güter, als sich andere Güter in Geld verwandeln lassen ?.
entschädigungen ab, um den mit Recht oder Unrecht erhobenen fortwährenden
Klagen wegen nicht guten oder ausreichenden Essens u. s. w. zu entgehen.“
Wiener Lohnarbeiterinnen S. 257: „Wir wollen lieber keine Kost und es hat
auch deshalb schon sehr viel Verdrufs gegeben.“ Württemb. Fabrikinsp. für
1898 S. 151: „Im allgemeinen kommt aber die Sitte, Arbeiter in Verpflegung
zu nehmen, mehr und mehr ab, was für beide Teile besser ist, weil dieses
Verhältnis häufig zu schweren Differenzen führt.“ ÖGewerkschaftskartell
Braunschweig, Jahresber. f. 1899 S. 30 („prozentual die meisten Streitfälle“),
Auch manche Arbeitsniederlegung hat hier ihren Ursprung. Fiebelkorn,
Arbeitervermittelung in der Ziegelindustrie S. 19: „Es darf jedoch nicht über-
sehen werden, dafs auch schlechte Behandlung, an Qualität und Quantität
anzureichendes Essen und viele andere Umstände auf der Ziegelei auf die
Arbeiter einwirken können, kontraktbrüchig zu werden.“ Aber wenn es sich
bei jenem Essen um Vertragsleistung des Arbeitgebers handelt, so bedeutet
die Unzulänglichkeit einen Vertragsbruch des Arbeitgebers, der den Arbeit-
nehmer zu unbefristeter Kündigung berechtigt. Oben 8. 732. 738,
1 Folgeweise kann hier mit reichlicher Beköstigung des Arbeitnehmers
dürftige Ernährung seiner Familie einhergehen. Vgl. Landarbeiter in den
evangel. Gebieten II, 167. 186.
2 Vgl. Verhältnisse der Landarbeiter III, 683.