VI. Beschränkung der Freiheit des Arbeitnehmers durch Naturalvergütung. 747
des Wohnens außer dem Hause hingewirkt worden, „nach allgemeiner
Annahme hauptsächlich aus dem Grunde, um mehr Einfluß auf die
Arbeiter zu gewinnen“: so wird hiermit nicht verneint, sondern
stillschweigend anerkannt, dafs mit der Hausgemeinschaft eine Zunahme
der Abhängigkeit verbunden ist. Dieser gegenüber fällt nicht ins
Gewicht und wird wohl darum nirgends geltend gemacht, dafs Kost
und Logis wie Landnutzung dem Arbeitnehmer auch Rechte gewähren,
durch welche der Arbeitgeber in seinem Bereich beschränkt wird.
Ist doch dieser thatsächlich und rechtlich in der Lage, die Aus-
übung jener Rechte des Arbeitnehmers so zu regeln, dafs sie für ihn,
den Arbeitgeber, wenig empfindlich ist.
Auch durch Gesetze wird bestätigt, dals durch die in Rede
stehenden Arten der Naturalvergütung die Freiheit und Selbständigkeit
des Arbeitnehmers vermindert wird.
Es sagt nämlich GewO. 8 127 Abs. 2 Satz 2: „Zu häuslichen
Dienstleistungen dürfen Lehrlinge, welche im Hause des Lehrherrn
weder Kost noch Wohnung erhalten, nicht herangezogen werden“ ?,
Diese Vorschrift gilt auch von Lehrlingen, die Arbeitnehmer sind. Es
folgt aus ihr, dafs Lehrlinge, die entweder Kost oder Wohnung oder
beides im Hause des Lehrherrn erhalten, zu häuslichen Dienstleistungen
herangezogen werden dürfen, es sei denn, dafs es im Vertrag aus-
geschlossen worden ist, und immer unter Wahrung von Zeit und
Gelegenheit zur beruflichen Ausbildung und zum Gottesdienst. Wenn,
wie hiernach möglich, Lehrlingen häusliche, also aufsergewerbliche
Dienstleistungen auferlegt werden, so bedeutet dies für sie meist eine
Verkürzung ihrer freien Zeit und jedenfalls eine Botmälsigkeit, die
nicht durch das Arbeitsverhältnis gefordert wird”. Diese Folgen
treten um so eher ein, als nach dem Gesetz die Heranziehung zu
häuslichen Dienstleistungen nicht bloßs dem Lehrherrn gestattet ist®.
Im Handelsgewerbe darf nach HGB. $ 76 Abs. 3 der Lehrherr
„dem Lehrlinge die zu seiner Ausbildung erforderliche Zeit und Ge-
ı Dieses durch GewO. 88 126% 127% Nr. 2 und 148 Nr. 9 sanktionierte
Verbot greift Platz, sowohl wenn der Lehrvertrag von häuslichen Dienst-
leistungen schweigt, als wenn er eine Zusage solcher enthält. Das Verbot
gehört zu den reichsgesetzlichen Beschränkungen der freien Übereinkunft
(GewO. 8 105).
? Vgl. Württembergische Fabrikinspektion f. 1898 S. 11.
+ Von anderen gewerblichen Arbeitern, nämlich Gesellen und Gehülfen,
sagt GewO. 8 121: „zu häuslichen Arbeiten sind sie nicht verbunden“, Dies
gilt auch dann, wenn sie in die häusliche Gemeinschaft des Arbeitgebers
aufgenommen sind, und gilt nur dann nicht, wenn sie häusliche Arbeiten zu-
gesagt haben.