Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

VI. Rechte des Arbeitgebers aus der Hausgemeinschaft, 749 
wenn er die ihm auferlegte Verpflichtung soll erfüllen können, da 
diese durch das Gesetz vom Willen des Arbeitnehmers unabhängig 
gemacht worden ist. 
Dafs aber der Arbeitgeber die bewulsten Einrichtungen und An- 
ordnungen zu treffen (z. B. keinen Hausschlüssel zu gewähren, die 
Hausthür zu gewisser Stunde zu schließen) das Recht hat, bedeutet 
für die in die Hausgemeinschaft aufgenommenen Arbeitnehmer die 
Pflicht, sich jenen Anordnungen und Einrichtungen zu fügen, voraus- 
gesetzt, daß sie nach dem Gesetz erforderlich sind. Man sieht hier- 
nach durch das BGB. und das HGB. bestätigt, dafs durch die in Rede 
stehende Naturalvergütung die Freiheit und Selbständigkeit des Arbeit- 
nehmers verringert wird!. 
Es bleibt hiernach nur übrig anzuführen, worin diese Einbußse 
hervortritt. Dafs seine Arbeitskraft länger und regelloser beansprucht 
zu werden pflegt, wenn er der Hausgemeinschaft des Arbeitgebers 
angehört, ward schon oben bemerkt. Als Hausgenossen sind ihm 
ferner im Lohnkampf die Hände gebunden: denn eine Arbeitsnieder- 
legung mufs zur Trennung von Tisch und Bett führen?. Während 
diese Konsequenz teilweise mit jeder in Wohnungsgewährung be- 
stehenden Naturalvergütung verbunden ist (S. 652), erleidet der in 
die Hausgemeinschaft aufgenommene Arbeitnehmer leicht dadurch 
noch eine fernere Schmälerung seiner Selbständigkeit, dals er der 
Beobachtung und Beaufsichtigung des Arbeitgebers auch aufserhalb 
des faktischen Arbeitsverhältnisses ausgesetzt ist. Ob diese Inspektion 
und Revision, die sich auf die Person (z. B. Kleidung, Umgang) und 
die Sachen des Arbeitnehmers erstrecken kann, demselben zum Vorteil 
oder zum Nachteil gereicht®, ist hier nicht zu prüfen, ebensowenig, 
1 Dies trifft um so mehr zu, als über die Erforderlichkeit einer An- 
ordnung oder Einrichtung im gegebenen Fall Zweifel bestehen können. Ein 
Bäckermeister z. B. verbietet bei ihm logierenden Gesellen, eine freie Nacht 
zum Ausgehen zu benutzen. Sie gehen gleichwohl fort und werden darauf hin 
alsbald entlassen. Diese Entlassung ist ungerechtfertigt, wenn jenes Verbot 
ungerechtfertigt war, und letzteres hängt davon ab, dafs es eine für die Ge- 
sundheit, Sittlichkeit oder Religion der Arbeitnehmer erforderliche An- 
ordnung war. 
2? Vgl. Brentano, Arbeitergilden II, 13. — Auch kann der Arbeitgeber 
durch die Herrschaft über den Schlafraum verleitet werden, sich durch Weg- 
nahme von Effekten des Arbeitnehmers für den Schaden zu decken, den ihm 
die Arbeitsniederlegung zufügt. S. Gewerbegericht V, 53. 54. Ferner SeemO. 
$ 78: S. 6701. 
3 Vgl. Wörishoffer, Fabrikarbeiter in Mannheim S. 360. Komm. f, 
Arbeiterstatistik, Verhandlungen Nr. 16 S. 42. Gewerkschaftskartell Braun- 
schweig, Jahresbericht f. 1899 S. 50/1.
	        
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