VII. Erhaltung der Naturalvergütung auf einigen Gebieten, 753
schneller dazu verhilft, oder vom Arbeitgeber mit geringerem Aufwand
beschafft werden kann, als die Geldvergütung !.
Bei den ständigen Land- und Forstarbeitern scheint gerade aus
den angegebenen Gründen der Fortbestand der Naturalvergütung noch
für längere Zeit gesichert zu sein. Denn soweit sie in Nahrungs-,
Kleidungs- und Feuerungsmitteln besteht, wird sie grofsenteils im
vertragsmäfsigen Arbeitsprozefs hervorgebracht und kann darum leichter
in hinreichender Menge und Güte geboten werden, als sie durch Kauf
beschafft werden könnte®. Wenn gleichwohl ihr Rückgang wahr-
zunehmen ist, so beweist dies, dafs die konservierenden Kräfte hier von
den umgestaltenden schon übertroffen werden.
Für Seeleute ist der Empfang von Kost und Wohnung auf dem
Schiffe unvermeidlich, und die Beschaffung dieser Lebensmittel durch
Kauf und Miete würde den Umständen nach keine eingreifende
Änderung gegenüber der Naturalvergütung zur Folge haben.
Die Abschaffung der Gelegenheit zum Trinkgelderwerb bei Gast-
wirtsgehülfen und ihre Ersetzung durch Geldlohn begegnet erfahrungs-
gemäls grofsen Schwierigkeiten, weil jene Naturalvergütung den Arbeit-
geber nichts kostet und weil sie durch das Arbeitsverhältnis selbst
an die Hand gegeben wird, so dafs sie eigens ausgeschlossen werden
muß, während dieser Ausschlufs auch noch eine Änderung in den
Gewohnheiten des Publikums erfordert. Wenn sonst die Ersetzung
des Naturallohnes durch Geldlohn sich nur im Verhältnis der Parteien
vollzieht, verlangt die Abschaffung der in Rede stehenden Art auch
noch die mindestens passive Mitwirkung eines Dritten, der überdies
anbestimmt und sehwer zu beeinflussen ist?.
1 Diese Ersparnis kann sich auch proportional geltend machen. Die
Summe der Geldlöhne wächst wie die Zahl der Arbeitnehmer; nicht not-
wendig ist dies beim Naturallohn der Fall, wie sich an Wohnung und Kost
zeigt. Die Kost ist relativ billiger für eine gröfsere Gesellenzahl, und ein
Zimmer läfst sich für einen wie für mehrere verwenden. Lage des Hand-
werks I, 289.
2 In Verhältnisse der Landarbeiter III, 217 wird „Erhöhung. des Geld-
lohnes auf Kosten der Naturalien“ unter den Ursachen der Herabdrückung
der materiellen Lebenshaltung angeführt, indem namentlich die Ersetzung
des Brotkorndeputats durch Barlohn Vermehrung des Kartoffelverbrauchs und
Einkauf von Kolonialwaren, auch von Branntwein und Tabak, zur Folge habe.
%* Über diese theoretisch längst geklärte Frage siehe vorzüglich die ver-
schiedenen Verhandlungen des internat. Vereins der Gasthofbesitzer in der
Anlage zu den Drucksachen der Komm. f. Arbeiterstatistik, Erhebungen Nr. 9
S. 91—112, sowie die Äufserungen von Kellnern a. a. O., Verhandlungen
Nr. 16 8. 47. 76.
Lotmar. Arbeitsvertrag. 1.