Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

N. Auf das Arbeitsverhältnis bezügliche Bestimmungen. 768 
Wert der Arbeitsergebnisse hervorgebracht werden. Ganz abgesehen vom 
Mafs juristischer Sorgfalt der Abfassung und abgesehen von der Auf- 
nahme der unter 2 erwähnten Bestimmungen sind daher bei Tarif- 
verträgen die gröfsten Differenzen des Umfanges anzutreffen, je nach- 
dem sie der gedachten Individualisierung und Klassifizierung Rechnung 
tragen, und besonders je nachdem sie nur einen in Kürze zu fassen- 
den Zeitlohntarif enthalten oder für zahlreiche, im Akkord zu entgel- 
tende Arbeiten die Löhne bis in einzelste festsetzen !. 
Allen eben genannten Inhaltsbestimmungen, die den Grundstock 
des Tarifvertrags ausmachen, sind auch die Arbeitsverträge zugänglich, 
und nur darum werden jene Bestimmungen zu Gegenständen von 
Tarifverträgen erhoben, weil es auf Erlangung der früher erörterten 
Vorteile der kollektiven Vertragschlielßsung abgesehen ist. Es giebt 
aber auch solche das Arbeitsverhältnis betreffende Bestimmungen, 
welche auf die kollektive Methode angewiesen sind, weil der Raum 
des individuellen Vertrags für ein Interesse zu eng ist, das nur Interesse 
einer Mehrheit sein und daher nur durch eine kontrahierende Mehr- 
heit vertreten werden kann. Man denke nur an die Einschränkung 
der Lehrlingshaltung (S. 263), die Benutzung eines bestimmten Arbeits- 
nachweises, die Anerkennung einer Organisation, — gewifs alles Be- 
stimmungen, welche das Arbeitsverhältnis beeinflussen. Und doch 
liegt es auf der Hand, dafs das individuelle Interesse des einzelnen 
Arbeitgebers oder Arbeitnehmers z. B. durch die Einhaltung einer ge- 
wissen Lehrlingszahl seitens des Arbeitgebers wenig berührt wird. 
Kollektive, nicht individuelle Interessen kommen in dergleichen Be- 
stimmungen zum Ausdruck, Interessen, die der Einzelne nur als An- 
ı! Während eine Reihe in verschiedenen deutschen Städten geltender 
Tarifverträge für das Zimmerergewerbe nicht viel mehr als den Raum einer 
Postkarte einnehmen, stellt der seit 1. Januar 1902 gültige, nun auch den 
Setzmaschinentarif umfassende Buchdruckertarif eine volle Broschüre dar, 
indem er für fein differenzierte Akkorde zu sorgen hat, Lokalzuschläge für 
viele Druckorte giebt und die für den Tarifvertrag selbst geltenden Bestim- 
mungen sehr ausbildet. Der in Bern geltende Tarifvertrag für Steinhauer 
enthält auf seinen 55 Druckseiten zahlreiche Figuren, welche die Profile und 
Mafse aufs eingehendste illustrieren; für alle Varianten sind besondere Preise 
ausgesetzt. Nach Lage des Handwerks II, 261 weist der Stücklohntarif einer 
Leipziger Schuhfabrik „nicht weniger als 2000 verschiedene Nummern auf“. 
Der „Deutsche Buchbindertarif“ hat 36 Seiten Querfolio mit 831 Teilarbeit- 
positionen, welche die Festsetzung von 8264 Akkordlohnsätzen erforderten, 
„Ein derartig umfangreicher Akkordlohntarif ist wohl bis jetzt in keinem 
Gewerbe zu finden,“ sagt mit Stolz der Vorstandsbericht des deutschen Buch- 
binderverbandes f. 1900 (Stuttgart 1901, S. 27). S. jedoch auch Brentano, 
Arbeitergilden IT, 267,
	        
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