766 VI. Abschn. Tarifvertrag. 1. Kap.: Thatbestand.
Tarifvertrag schliefsen wollen, so müssen sie koaliert sein, d. h. sich
zur Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen vereinigt oder
verabredet haben. Diese Koalition kann schon beim Beginn der Ver-
handlung mit den Arbeitnehmern vorhanden sein oder sich erst im
Lauf derselben bilden. Die Koalition auch der Arbeitgeber ist zwar
nach innen des rechtlichen Schutzes von Klage und Einrede bar, sie
hat aber für die Tarifvertragschliefsung die Bedeutung, dafs sie den
Abschluß eines einzigen Tarifvertrags durch eine Mehrheit von Arbeit-
gebern ermöglicht‘. Mit einer Mehrheit von koalierten Arbeitgebern
einen Tarifvertrag, statt mit einem oder mehreren isolierten Arbeit-
gebern Tarifverträge einzugehen, liegt im Interesse der Arbeitnehmer
wie in dem der Arbeitgeber. Der gemeinsame Tarifvertrag ist der
Disposition eines einzelnen Arbeitgebers entzogen. Überdies verkettet
die Koalition die koalierten Arbeitgeber moralisch und, soweit die
Kraft der Naturalobligation reicht, auch rechtlich*. Diese Kohäsion
befördert die Erreichung der Tarifvertragszwecke im Verhältnis zu
den Parteigenossen wie zur Gegenpartei und kommt dadurch auch
dieser selbst zu gute.
Arbeitnehmerseits kann der Tarifvertrag nur von einer Mehrheit
kontrahiert werden *®; die Mehreren zusammen machen oder acceptieren
den Vorschlag, wie er den Mehreren zusammen gemacht oder ihnen
gegenüber angenommen wird. Dafs nicht ein einzelner Arbeitnehmer
einen Tarifvertrag und folglich auch nicht mehrere solche einzeln
mehrere Tarifverträge eingehen können, ist teils nach unserer Arbeits-
verfassung , teils nach dem Zweck des Tarifvertrags einleuchtend,
Handelt es sich doch um Herstellung eines für eine Mehrheit be-
stimmten und der Disposition des Einzelnen nicht unterliegenden
ı Wenn, wie nicht selten der Fall, eine Innung namens ihrer Mitglieder
mit dem Gesellenausschufs namens der Gesellen einen Tarifvertrag eingeht,
so stehen die Kontrahenten der Arbeitgeberpartei in einem auch rechtlich
vollkommen zusammengehaltenen Verband. „Die Förderung eines gedeih-
lichen Verhältnisses zwischen Meistern und Gesellen (Gehülfen)“ gehört nach
dem bundesrätlichen Entwurf des Statuts einer freien Innung zu den Auf-
gaben derselben.
2? Loewenfeld in Staudingers Kommentar zu BGB. I, 157 zählt die
Koalitionen den Personenverbänden zur gesamten Hand bei, Wenn sie
Lotmar in Brauns Archiv XV, 58 nur für thatsächliche Vereinigungen erklärt,
30 bezieht sich dies auf ihr Internum, und selbst hierfür wird S. 61, 62 Natural-
obligation zugelassen.
® Dieser Unterschied von der Arbeitgeberseite äufsert sich in GewGerGes.
$ 63 darin, dafs für die Verhandlung vor dem Einigungsamt die Arbeitnehmer
immer, die Arbeitgeber nur wenn es ihrer mehr als drei sind, Vertreter zu
bestellen hahen.