Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

IV. Abgrenzung vom Vorvertrag, von der Arbeitsordnung. 769 
verschiedene Vertragszeiten haben. — Der Tarifvertrag deckt sich 
weder mit dem Thatbestand des Arbeitsvertrags überhaupt, noch mit 
irgend einem der gesetzlichen Typen, aus denen der Begriff des Ar- 
veitsvertrags gezogen ist: er ist weder Dienst- noch Werkvertrag, 
weder gewerblicher Arbeitsvertrag noch Heuervertrag u. s. w. Wäre 
er ein solcher, so würde er der gesetzlichen Regelung eines dieser 
Typen teilhaftig sein. Es ist aber offenbar, dafs der gewerbliche 
Tarifvertrag, welcher zur inhaltlichen Normierung gewerblicher Arbeits- 
verträge bestimmt ist, nicht selber als solcher Arbeitsvertrag den 
Kündigungsregeln von GewO. $ 122 oder $8 123, 124 unterliegt. — 
Dafs der Tarifvertrag generell Vertragsinhalt festsetzt für Verträge, 
denen ohnedies jener Inhalt durch individuelle Vereinbarung, d. h. 
durch den Arbeitsvertrag eingefügt werden müfste, bringt zwar eine 
gewisse Ähnlichkeit zwischen Tarifvertrag und Arbeitsvertrag hervor, 
läfst aber ihre radikale Verschiedenheit bestehen. Vgl. auch S. 2343. — 
Wie kein Arbeitsvertrag ist der Tarifvertrag auch kein Vor- 
vertrag zu einem Arbeitsvertrag. Mit einem solchen Vorvertrag 
hat der Tarifvertrag gemein, dafs beide sich auf künftige Arbeits- 
verträge beziehen, und dafs wie im Tarifvertrag auch im gedachten 
Vorvertrag die Lohn- und Arbeitsbedingungen eines künftigen Arbeits- 
vertrags festgesetzt sein können. Auch kann unter den transitorischen 
Bestimmungen eines Tarifvertrags eine vorkommen, welche die Wieder- 
anstellung entlassener oder den Wiedereintritt ausgetretener Arbeit- 
nehmer und damit den Abschluß von Arbeitsverträgen vorschreibt 
(S. 261%). Allein dieser vorvertragliche Inhalt liegt aufserhalb des 
wesentlichen Inhalts eines Tarifvertrags und unterscheidet sich von 
diesem auch dadurch, dafs er bestimmte Individuen betrifft, während 
die wesentliche Regelung eines Tarifvertrags eine generelle ist. Im 
Tarifvertrag sagen die Kontrahenten einander nicht wie im Vorvertrag 
zu, miteinander Arbeitsverträge zu schliefsen, sondern sie stellen die 
Lohn- und Arbeitsbedingungen fest, welche für die etwa zum Abschlufs 
kommenden Arbeitsverträge gelten sollen. Indem nicht das Ob oder 
Daß, sondern nur das Wie künftiger Arbeitsverträge im Tarifvertrag 
vereinbart wird, treten Tarifvertrag und Vorvertrag weit aus- 
einander. — 
Dafs sich die obligatorische Arbeitsordnung und der Tarif- 
vertrag in der Form unterscheiden, ergiebt sich aus dem S. 764 
Bemerkten: jene kommt einseitig, dieser nur zweiseitig zustande. 
Auch wissen wir, dalß das Anwendungsgebiet der Arbeitsordnung enger 
ist, als das des Tarifvertrags, weil sie sich beschränkt auf die Arbeits- 
Lotmar, Arbeitsvertrag. I. 49
	        
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