II. Von den Kontrahenten beabsichtigte faktische u. Rechtswirkungen. 775
treffen Bestimmungen über seinen persönlichen, örtlichen, zeitlichen
Geltungsbereich und über Instanzen zu seiner Auslegung, auf dals er
anstandslos fungieren könne. Dies alles hat rechten Sinn nur wenn
man es beim Tarifvertrag nicht mit etwas blofs Faktischem zu thun
hat, dessen Geltung allein auf der Gewissenhaftigkeit seiner Teilnehmer
beruht. Alle diese Vorkehrungen werden vielmehr in dem mehr oder
weniger klaren Bewulstsein getroffen, dafs man sich mit dem Abschlufs
eines Tarifvertrags auf den Rechtsboden begiebt, dafs man die eigene
Person wie die ides Gegners einer über beiden stehenden, staatlich
geschützten Norm unterwirft, dafs also irgend welche Rechtswirkung
mit solchem Vertrag verbunden ist.
Il. Was für eine Rechtswirkung dem Tarifvertrag zukomme,
richtet sich wie bei anderen Verträgen, die der eigenen gesetzlichen
Regelung entraten und soweit es der Fall ist, innerhalb der all-
gemeinen Schranken der Vertragsfreiheit, nach den faktischen
Wirkungen, welche die Paciscenten durch ihre Vertragschlielsung
erreichen wollen. Diese sind hier, wie tausendfältige Erfahrung lehrt,
vorzüglich die drei folgenden *.
Erstens beabsichtigen die Parteien vermöge des Tarifvertrags die
Abschlielfsung von Arbeitsverträgen zu erleichtern. Es soll deren
Kontrahenten der Aufwand von Zeit, Mühe und Gemütsbewegung
erspart werden, der bei der Mitteilung der Vertragsbedingungen oder
beim Feilschen um dieselben (man denke z. B. an Akkordlohnsätze)
notwendig werden kann, und es soll zugleich diese Abkürzung des
Verfahrens die verhältnismäfsige Vollständigkeit der Paktierung nicht
beeinträchtigen. Letztere Gefahr wird von dem einzelnen Kontra-
henten des Arbeitsvertrags durch die generelle Fürsorge seiner Berufs-
genossen. fern gehalten.
Zweitens wird mit dem Tarifvertrag beabsichtigt, durch Ausgleichung
der Arbeitsverhältnisse die Nachteile der Konkurrenz zu verringern.
Es soll verhindert werden, dafs die Arbeitgeber einer Branche Arbeit-
nehmer finden, die erbötig sind, Arbeitsverträge zu Bedingungen ein-
zugehen, die für den Arbeitgeber günstiger sind, als die im Tarif-
vertrag statuierten. Hierdurch soll die Unterbietung (Schleuder-
konkurrenz) ausgeschlossen werden. Der Arbeitgeber soll darauf
rechnen dürfen, dafs sein Konkurrent nicht Arbeitsverträge eingehe,
die diesem einen Vorsprung gewähren. Und der Arbeitnehmer soll
ı Wir haben dabei den umfänglichen, eine Mehrheit auch von Arbeit-
gebern umfassenden Tarifvertrag im Auge.