782 VI. Abschn. Tarifvertrag. 2. Kap.: Rechtswirkung.
durch Rechtsgeschäft ausgeschlossen oder beschränkt werden, so dafs,
wer sich gewisse Schranken der Verfügung auferlegt hat, gleichwohl
sie nicht einzuhalten braucht. Und dennoch kann nach $ 399 eine
Forderung nicht abgetreten werden, wenn die Abtretung durch Ver-
einbarung mit dem Schuldner ausgeschlossen worden ist. Dieser
Freiheit der Verfügung über seine Forderung kann sich der Gläubiger
begeben haben. — Zweitens und vor allem ist es aber auch nicht
richtig, dafs die Parteien eines Arbeitsvertrags, dem sie einen tarif-
widrigen Inhalt geben, damit nur eine Schranke niederlegen, welche
sie selbst sich auferlegt haben. Denn die Parteien des Arbeits-
vertrags und die Parteien des Tarifvertrags sind nicht
identisch!: der Arbeitsvertrag wird mit einem Arbeitnehmer, der
Tarifvertrag mit einer Mehrheit solcher geschlossen. Ebenso kann die
Arbeitgeberpartei beim Tarifvertrag eine Mehrheit sein, während sie
beim Arbeitsvertrag ein Einzelner ist. Die Schranke der Vertrags-
freiheit, welche der Tarifvertrag setzt, ist von einer Mehrheit zusammen
errichtet worden: es wäre widerspruchsvoll, wenn die Zustimmung
eines einzelnen aus dieser Mehrheit zur Wiederherstellung der Ver-
tragsfreiheit hinreichen würde. All dies ist auch dann zu sagen, wenn
durch den Wegfall von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die den
Tarifvertrag kontrahiert haben, und durch den Beitritt anderer zum
geschl »ssenen Tarifvertrag (Kap. 3 Nr. IV) sich der persönliche Be-
stand einer Vertragspartei verändert hat. —
Die durchgreifende Rechtswirkung des Tarifvertrags gegenüber
dem Arbeitsvertrag steht so wenig in Widerspruch mit einem all-
gemeinen Rechtsgrundsatz, daß sie vielmehr an dem gesetzlich ge-
regelten Verhalten der Arbeitsordnung zum Arbeitsvertrag
ein sie begründendes Seitenstück findet.
Nach GewO. $ 134° Abs. 1 „ist der Inhalt der Arbeitsordnung,
soweit er den Gesetzen nicht zuwiderläuft, für die Arbeitgeber und
Arbeiter rechtsverbindlich“. Und nach $ 1342 Abs. 3 „können
Abänderungen ihres Inhalts nur durch den Erlafs von Nachträgen
dder in der Weise erfolgen, dafs an Stelle der bestehenden eine neue
Arbeitsordnung erlassen wird“. Wenn die Inhaltsänderung nur durch
Erlafs von Nachträgen oder einer neuen Arbeitsordnung bewirkt
werden kann, so ist damit jede andere Weise der Inhaltsänderung
für ausgeschlossen erklärt. Es geht folglich nicht an, den Inhalt der
Arbeitsordnung durch die Arbeitsverträge zu ändern, welche mit den
von der Arbeitsordnung betroffenen Arbeitnehmern geschlossen werden.
1 Ihrer irrigen Gleichsetzung leistet Vorschub, wer den Tarifvertrag als
Arbeitsvertrag bezeichnet.