IV. Durchgreifende Rechtswirkung der obligator. AO. als Analogon. 783
Es würde aber einer solchen durch Arbeitsverträge bewirkten Inhalts-
änderung der Arbeitsordnung gleichkommen, wenn mit allen Arbeit-
nehmern oder auch nur mit der Mehrzahl Arbeitsverträge geschlossen
würden, deren Inhalt von dem der Arbeitsordnung abweicht und die
gleichwohl gültig wären. Die Arbeitsordnung würde so weit für alle
Arbeitnehmer oder die Mehrzahl nur noch auf dem Papiere stehen,
d. h. in ihrem Inhalt auf andere Weise geändert worden sein als
$ 134% zuläfst*, Dieser Gesetzwidrigkeit wird vorgebeugt durch
$ 134° cit., wonach Jer Inhalt der Arbeitsordnung für die Arbeitgeber
und Arbeitnehmer rechtsverbindlich ist. Die hier ausgesprochene
Rechtsverbindlichkeit muls, wenn anders die Arbeitsordnung nicht
wider $ 1342 soll geändert werden können, den Sinn haben, daß
Arbeitsverträge nicht wider den Inhalt der Arbeitsordnung aufzukommen
vermögen und dafs sie trotz abweichender Übereinkunft den Inhalt
empfangen, den die Arbeitsordnung vorschreibt”. Mögen gleich nicht
schon ein einziger oder einige Arbeitsverträge, wenn sie inhaltlich
von der Arbeitsordnung abweichen, zu einer inhaltlichen Änderung
derselben führen, so ist doch in $ 134° die Rechtsverbindlichkeit des
Inhalts der Arbeitsordnung allgemein ausgesprochen und nicht blofs
für Arbeitsverträge von so grofser Zahl, daß die Zulassung ihrer
Abweichung von der Arbeitsordnung einer inhaltlichen Änderung der-
selben gleichkäme. Die hiernach anzunehmende durchgreifende Rechts-
verbindlichkeit der Arbeitsordnung hat den einleuchtenden Sinn, dafs
andernfalls der Arbeitsordnung die Bedeutung einer generellen und
im voraus feststehenden Norm genommen?®, und ferner die Arbeits-
verhältnisse in wesentlichen Punkten anders geregelt werden könnten,
als der unteren Verwaltungsbehörde durch Einreichung der Arbeits-
ordnung angezeigt worden ist*, Jene Rechtsverbindlichkeit bietet
auch der differentiellen Behandlung der Arbeitnehmer kein Hindernis,
da die Arbeitsordnung selbst fähig ist, allen Unterschieden der Arbeit-
nehmer Rechnung zu tragen, welche der Arbeitgeber in Ansehung der
' Vgl. Gewerbegericht V, 122. 123. Koehne, Arbeitsordnungen S. 253.
Vgl. S. 234 zu ®%. 480/81. 588/89. 598 zu ®.
Welchen Sinn behält die Vorschrift, „die Arbeitsordnung ist jedem
Arbeiter bei seinem Eintritt in die Beschäftigung zu behändigen“ (Gew.
& 184°), wenn nicht die Arbeitsordnung, sondern der von ihr abweichende
Arbeitsvertrag gilt?
4 Man denke z. B. es werde nach $ 134% Nr. 5 in der Arbeitsordnung
über die Verwendung der verwirkten Lohnbeträge vorgeschrieben, dafs sie
der Fabrikkrankenkasse zufliefsen, während in Arbeitsverträgen vereinbart
wird, dafs diese Beträge zu Geschenken an Vorgesetzte, etwa Werkführer ver-
wendet werden. Diese Vereinbarung ist gegenüber der Arbeitsordnung nichtig.