7/92 VI Abschn, Tarifvertrag. 3. Kap.: Geltungsbereich.
Bestimmung späterer Geltungsanfänge einzelner Positionen involviert
eine Bestimmung der zeitlichen Länge des Vertragsverhältnisses. Diese
Bestimmung durch Angaben, die sich auf die Endigung des Ver-
hältnisses beziehen, ist, wie nicht erklärt zu werden braucht, von der
gröfsten Wichtigkeit für Tarifverträge. Die Erkenntnis ihrer Be-
deutung äufsert sich bei den Beteiligten in Kämpfen um die Be-
stimmung, welche die Vertragszeit begrenzt; hier kann ein Dissens
das Zustandekommen des Vertrags vereiteln, oder es kann auf eine
bessere Lohnbedingung verzichtet werden behufs Erlangung einer
Konzession hinsichtlich der Vertragsdauer. Und wo neuerdings
Arbeiterorganisationen sich über die Vorteilhaftigkeit von Tarifverträgen
ausgesprochen haben, ist selten unterlassen worden, eine gewisse zeit-
liche Begrenzung ihrer Gültigkeit dringend zu empfehlen (S. 758%).
Der Tarifvertrag, der für eine unbestimmte Zahl von Arbeits-
verträgen gemeinsame Bedingungen festsetzen und dadurch eine ge-
wisse Stabilität begründen soll, ist seiner Natur nach auf Dauer an-
gelegt. Andererseits werden seine Bestimmungen mit Rücksicht auf
den Stand der Märkte getroffen, der zur Zeit des Vertragschlusses
gegeben ist. Den kleineren Schwankungen soll gerade das Vertrags-
verhältnis standhalten. Dasselbe jedoch ohne Rücksicht auf die
Marktlage und endlos fortdauern zu lassen, kann durchaus nicht im
Sinn seiner Urheber und seiner Anhänger liegen. Die Gesetze haben
sich mit der Vertragszeit beim Tarifvertrag trotz ihrer Wichtigkeit
bisher nicht befalst, obwohl die gesetzliche Regelung da sehr ver-
mifst wird, wo die private unterblieben ist. In erster Linie mufs für
die Vertragszeit das malsgebend sein, was die Parteien bei der
Kontrahierung vorgesehen haben. Hier stofsen wir bald auf eine
vereinbarte, also zweiseitige Endbestimmung, bei deren Eintritt das
Vertragsverhältnis ohne weiteres endigen soll!, mag gleich im Vertrag
der Möglichkeit gedacht sein, daß auf Grund eines neuen Kontraktes
sich ein neues Vertragsverhältnis unmittelbar an das alte anknüpfe.
Bald finden wir die Vertragszeit unbestimmt gelassen, wobei jedoch
beiden Parteien das Recht zu befristeter und sonst definierter Kün-
digung eingeräumt*, oder der Vertrag zunächst für eine gewisse Zeit
eingegangen wird, mit deren Ablauf das Verhältnis endigt. wenn eine
vom 1. Januar 1900 bis 30. September 1900 einschliefslich 62 Pf., vom
1. Oktober 1900 bis 31. März 1901 einschliefslich 65 Pf.“
1 z. B. Tarifvertrag der Maler in Erfurt: „Vorstehender Tarif tritt mit
heute in Kraft und hat Gültigkeit bis 7. Mai 1902“,
? z. B. Kulemann, Gewerkschaftsbewegung S. 670. 673. Tarifvertrag
der Maler in Kiel (Malerkalender 1902 S. 40.