Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

796 VI. Abschn. Tarifvertrag. 3. Kap.: Geltungsbereich. 
beiderseitiger Teilnahme von Tarifgenossen mulfs, wie wir wissen, der 
Arbeitsvertrag tarifgemäfs zu stande kommen. Wenn aber eine, auch 
nur eine Partei außerhalb des Tarifvertrags steht, so kann ein tarif- 
widriger Arbeitsvertrag zu stande kommen. Dafs eine Partei einem 
Dritten obligiert ist, anders zu vereinbaren, hindert hier die Gültigkeit 
der Vereinbarung ebensowenig, wie wenn z. B. ein Bauunternehmer, 
der seinem Arbeitgeber (Staat oder Stadtgemeinde) verpflichtet ist, 
die mit seinen Gehülfen abzuschliefsenden Arbeitsverträge mit gewissem 
Inhalt zu versehen, sich über diese Verpflichtung hinwegsetzt*. Gewils 
ist die Heranziehung auswärtiger, vom hier geltenden Tarifvertrag 
nicht betroffener, unter dem Tarif gelöhnter Arbeitnehmer durch einen 
hiesigen, dem Tarifvertrag unterstehenden Arbeitgeber eine Umgehung 
des Tarifvertrags. Allein an der Gültigkeit der Arbeitsverträge ist 
nicht zu zweifeln. Der Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, der mit einem 
Extraneus abweichend vom Tarifvertrag kontrahiert, wird nach Gestalt 
der Sache dem Tarifvertragsgegner oder auch seinen eigenen Partei- 
genossen verantwortlich*, aber der Kontrakt selbst ist gültig, da die 
Kontrahenten sich nicht beide im persönlichen Geltungsbereich des 
Tarifvertrags befinden. 
In diesen Bereich gelangt niemand ohne eigenes Zuthun; nur 
vermöge seiner Willenserklärung wird jemand von einem Tarifvertrag 
betroffen, mag er sie für einen gegebenen, oder generell dadurch erteilt 
haben, dafs er in einen Personenverband eintrat, dessen Mitglieder 
durch einen von den Organen oder der Majorität geschlossenen Tarif- 
vertrag alle betroffen werden. So lange daher nicht durch das Gesetz 
singuläre Rechtssätze über den persönlichen Geltungsbereich aufgestellt 
worden sind, mufs man sich bei seiner Bemessung nach den allgemeinen 
Regeln der Verträge und der Stellvertretung richten. Von ihrer An- 
wendung darf man sich auch nicht dadurch abbringen lassen, dals 
hier mitunter so zahlreiche Parteien in Frage kommen, dafs der 
Überblick über die individuelle Zugehörigkeit nicht mehr aufkommen 
kann. 
In den persönlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrags wird man 
gezogen entweder durch Selbstkontrahieren oder mittelst Stellvertretung. 
Das Selbstkontrahieren vollzieht sich leichter auf Arbeitgeber-, 
als auf Arbeitnehmerseite , weil auf dieser die größere Personenzahl 
steht. Allein durch Schriftlichkeit, nämlich durch Unterzeichnung 
‘ Vgl. Zwiedineck-Südenhorst, Lohnpolitik S. 366. 
® Wegen der Reaktionen gegen derlei Übertretungen s. S. 777—78. Auf 
mögliche Entschuldigungsgründe braucht hier nicht eingegangen zu werden.
	        
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