VII. Terminologie: '„ Arbeitsvertrag“.
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Ausdehnung gegenüber den vorigen Definitionen und den zuerst er-
wähnten gesetzlichen Anwendungen ist hier gewilßs insofern gegeben,
als sich das BGB. bei der Regelung seines Dienstvertrags nicht
kümmert um die Person der Parteien und um die Art der über-
nommenen Arbeit. Es verhält sich indifferent gegen die ökonomische
oder sociale Stellung der Parteien: jeder Mensch (wenn nur etwaigem
Mangel der Geschäftsfähigkeit abgeholfen ist) kann Dienstberechtigter
und kann zur Dienstleistung Verpflichteter sein*. Fast ebenso in-
different ist das BGB. bei seinem Dienstvertrag gegen die Art der
Arbeit. Es zeichnet zwar „Dienste höherer Art“ aus (88 622. 627),
allein dieser Unterschied kommt nicht für das Dasein des Dienst-
vertrags in Betracht. Denn es verfügt $ 611 Abs: 2: „Gegenstand
des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.“ Mit diesen
Worten wird jeder Unterschied in der Arbeitsart für irrelevant erklärt,
denn die hier genannten Dienste sind nichts anderes als Arbeit.
Hierauf wird Kapitel 7 zurückkommen, wo dargelegt wird, dafs der
Dienstvertrag ein Arbeitsvertrag ist.. An gegenwärtiger Stelle handelt
es sich — unter Voraussetzung dieser leicht einzuräumenden That-
sache — nur darum, zu prüfen, inwiefern es gerechtfertigt und em-
pfehlenswert ist, Arbeitsvertrag und Dienstvertrag einander gleich-
zusetzen?. Folgende Einwände lassen sich geltend machen.
verhältnis auch ein Dienstverhältnis“ sein soll; es müfsten alle vom Dienst-
herrn angeordneten Arbeiten auszuführen sein. Danach würde der Dienst-
vertrag weniger umfassen als der Arbeitsvertrag. Siehe ferner Bericht der
Reichstagskommission über den Entwurf eines BGB. S. 45 und Stenographische
Berichte des Reichstags über die zweite Beratung des Entwurfs, 1896
111. Sitzung S. 2792. Es war beantragt worden, im Gesetz statt „Dienst-
vertrag“ zu sagen „Arbeitsvertrag“. Flesch a. a. O0. S. 2: „Unser neues
BGB. hat für den Arbeitsvertrag, den es “Dienstvertrag? nennt, nur wenige
Paragraphen übrig.“ Vgl. auch noch unten Kap. 7 Nr. II.
3 Stadthagen, Arbeiterrecht (1900) S. 3, stellt die Ausdrücke „Lohn-
vertrag“, „Dienstvertrag“ und „Arbeitsvertrag“ als gleichbedeutend neben-
einander. Indem er jedoch bei dem so benannten Begriff einen Arbeitnehmer
voraussetzt, dessen Arbeitskraft „sein einziger Reichtum ist“, d. h. einen
Proletarier, entfernt er sich vom Dienstvertragsbegriff des BGB., als welcher
gegenüber der wirtschaftlichen Lage des Arbeitnehmers indifferent ist. Eine
andere Einengung hat er S. 9. 10 beim „eigentlichen Arbeitsvertrag“ im Auge,
der sich nur auf diejenigen Arbeiten bezieht, „die für das Gewerbe oder die
Wirtschaft eines anderen geleistet werden“,
? R. Löning in Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Artikel „Ar-
beitsvertragsbruch“ unterscheidet „Arbeitsvertrag im allgemeinen“, welcher
den Dienst- und den Werkvertrag des BGB. umfafst, und „Arbeitsvertrag im
engeren Sinn“, Letzterer wird auf körperliche Arbeit eingeschränkt, überdies
auf solche; „die durch einen dauernden wirtschaftlichen Zweck fortlaufend