Full text: Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches (1)

64 I. Abschn. 1. Kap.: Begriff und Terminologie. 
des Webereibesitzers. Der Proletarier, der sich dem letzteren zur 
Fabrikarbeit verpflichtet hat, ist diesem gegenüber Arbeitnehmer, 
während er Arbeitgeber ist gegenüber dem Arzte, den er zu seinem 
kranken Kinde hat rufen lassen. Und der Arzt ist wiederum Arbeit- 
geber gegenüber seinem Kutscher, der ihn zur Wohnung jenes Prole- 
tariers geführt hat, wie die Maurergesellen des erwähnten Baumeisters, 
wenn sie sich durch die Strafsenbahngesellschaft zum Bauplatz be- 
fördern lassen, auf dem sie als Arbeitnehmer thätig zu sein haben, 
ihrerseits durch den Beförderungsvertrag Arbeitgeber der Strafsenbahn- 
gesellschaft geworden sind. 
5. Bei der in Rede stehenden juristischen Terminologie ist es 
möglich, dafs für verschiedene Arbeitsverträge jemand gleichzeitig 
eines anderen Arbeitnehmer und eines Dritten Arbeitgeber sei, nicht 
blofs — wie sich eben unter Nr. 4 gezeigt hat — für verschiedene 
Arbeiten, sondern auch für die identische Arbeit. Wenn z.B. der 
Kunde den Friseurladen betritt, um sich die Haare schneiden zu 
lassen, und sich zu diesem Zweck im Einverständnis mit dem Meister 
auf dem Arbeitssessel niederläfst, so schliefst er mit dem Meister 
einen Arbeitsvertrag über die Arbeit des Haarschneidens; und in diesem 
Arbeitsverhältnis ist der Meister der Arbeitnehmer. Wird die 
Arbeit des Haarschneidens nicht vom Meister in Person, sondern auf 
seine Anordnung vom Gesellen verrichtet, so geschieht dies in Voll- 
ziehung des vom Gesellen mit dem Meister geschlossenen Arbeits- 
vertrags, in dem der Meister aber Arbeitgeber ist, also dafs bei 
zwei Arbeitsverträgen in Ansehung einer und derselben Arbeit 
(des Haarschneidens) die nämliche Person (der Meister) gegenüber 
dem Mitpaciscenten im einen Arbeitsvertrag Arbeitnehmer und 
gegenüber dem Mitpaciscenten im anderen Arbeitsvertrag Arbeit- 
geber ist. — 
In den (geltenden) Gesetzen kommt der Ausdruck „Arbeit- 
nehmer“ selten vor!, um so öfter der Ausdruck „Arbeiter“. Beide 
Ausdrücke beziehen sich auf die Arbeitnehmerpartei, jedoch nicht des 
Arbeitsvertrags überhaupt, sondern nur gewisser Arten desselben. 
Auch bezeichnet „Arbeiter“ nicht selten den Arbeitnehmer in potentia, 
d. h. denjenigen, der vermöge seiner ökonomischen Lage Arbeits- 
verträge gewisser Art als Arbeitnehmer abzuschließen pflegt, insofern 
den Arbeitnehmer von Beruf und zwar den Angehörigen der Arbeiter- 
* Invalidenversicherungsgesetz 88 62. 155. 157, Gesetz, betr. Abänderung 
der Unfallversicherungsgesetze, $ 17, Land- und forstwirtschaftliches Unfall- 
versicherungsgesetz $ 10, Verordnung, betr. das Verfahren vor den Schieds- 
gerichten für Arbeiterversicherung vom 22. November 1900, 8 16.
	        
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