Full text: Kritik des Gothaer Programms

130 
bekannt wäre, daß sie so und so entstanden ist und sich in der und 
der bestimmten Richtung modifiziert. 
Marx räumt vor allem mit der Konfusion auf, die dusch das 
Gothaer Programm in die Frage nach dem Verhältnis von Staat und 
Gesellschaft hineingetragen wird. 
„Die ,heutige Gesellschaft' ist die kapitalistische Gesellschaft“, schreibt er, 
„die in allen Kulturländern existiert, mehr oder weniger frei von inittelaltrigem 
Beisatz, mehr oder weniger durch die besondre geschichtliche Entwicklung jedes 
Landes modifiziert, mehr oder weniger entwickelt. Dagegen der ,heutige Staat' 
wechselt mit der Landesgrenze. Er ist ein andrer im prent'.eh-deutschen Reich 
als in der Schweiz, ein andrer in England als in den Vereinigten Staaten. 
,D e r heutige Staat' ist also eine Fiktion. . 
Jedoch haben die verschiedn.cn Staaten der versehiednen Kulturländer trotz 
ihrer bunten Formversehiedenkeit alle das gemein, daß sie auf dem Boden der 
modernen bürgerlichen Gesellschaft stehn, nur einer mehr oder mir.der kapita 
listisch entwickelten. Sie haben daher auch gewisse wesentliche Charaktere ge 
mein. In diesem Sinne kann man von .heutigem Staatswesen’ sprechen, im 
Gegensatz zur Zukunft, worin seine jetzige Wurzel, die bürgerliche Gesellschaft, 
abgestorben ist. 
Es fragt sich dann: welche Umwandlung wird das Staatswesen in einer 
kommunistischen Gesellschaft erleiden? In andern Worten, welche gesellschaft 
lichen Funktionen bleiben dort übrig, die jetzigen Staatsfur.ktioncn analcg sind? 
Diese Frage ist nur wissenschaftlich zu beantworten, und man kommt dem 
Problem durch tausendfache Zusammensetzung des Wortes Volk mit dem Wort 
Staat auch nicht um einen Flohsprung näher.“ 
Nachdem Marx auf diese Weise alles Gerede vom „Volksstaat" 
verlacht hat, gibt er die Problemstellung und warnt gewissermaßen 
davor, bei der wissenschaftlichen Beantwortung der Frage anders 
als mit feststehenden wissenschaftlichen Angaben zu operieren. 
Das erste, was durch die ganze Entwicklungstheorie, die ganze 
Wissenschaft überhaupt ganz genau festgestellt ist, was die Utopisten 
vergaßen und die jetzigen Opportunisten, die sich vor der sozialisti 
schen Revolution fürchten, vergessen, — ist der Umstand, daß es 
geschichtlich zweifellos ein besonderes Stadium oder eine besondere 
Etappe des Übergangs vom Kapitalismus zum Kommunismus geben 
muß. 
2. Der Übergang vom Kapitalismus zum Kommunismus 
„Zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Gesellschaft“, führt 
Marx fort, „liegt die Periode der revolutionären Umwandlung der einen in die 
andre. Der entspricht auch eine politische Übergangsperiode, deren Staat nichts 
andres sein kann, als die revolutionäre Diktatur des Prole 
tariat s.“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.