Full text: Kritik des Gothaer Programms

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und nach gewöhnen werden, die elementarsten, von alters her 
bekannten und seit Jahrtausenden in allen Vorschriften gepredigten 
Regeln des Zusammenlebens einzuhalten, sie ohne Gewalt, ohne 
Zwang, ohne Unterordnung, ohne den besonderen Zwangs- 
a p p a r a t, der sich Staat nennt, einzuhalten. 
Der Ausdruck „der Staat stirbt ab" ist sehr treffend gewählt, denn 
er deutet sowohl auf die Stetigkeit als auch auf das Elementare des 
Prozesses hin. Nur die Gewöhnung kann und wird zweifellos eine 
solche Wirkung ausüben, denn wir beobachten rintfs um uns millio 
nenfach, wie leicht sich Menschen an die Einhaltung der' für sie 
notwendigen Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens ge 
wöhnen, wenn die Ausbeutung fehlt, wenn nichts vorhanden ist, was 
sie empört, zu Protest und Auflehnung herausfordert, was die Not 
wendigkeit der Niederhaltung schafft. 
Also: in der kapitalistischen Gesellschaft haben wir eine gestutzte, 
dürftige, falsche Demokratie, eine Demokratie nur für die Reichen, 
für eine Minderheit. Die Diktatur des Proletariats, die Periode des 
Übergangs zum Kommunismus, wird zum erstenmal Demokratie für 
das Volk, für die Mehrheit bringen, aber zugleich wird sie not 
wendigerweise eine Minderheit, die Ausbeuter, niederhalten. Einzig 
und allein der Kommunismus ist imstande, eine wahrhaft vollständige 
Demokratie zu bieten, und je vollständiger diese sein wird, um so 
schneller wird sie entbehrlich werden, von selbst absterben. 
Mit anderen Worten: im Kapitalismus haben wir den Staat im 
eigentlichen Sinne des Wortes, eine besondere Maschine zur Unter 
drückung einer Klasse durch eine andere, und zwar der Mehrheit 
durch eine Minderheit. Damit eine solche Sache, wie die systema 
tische Unterdrückung der Mehrheit der Ausgebeuteten durch die 
Minderheit der Ausbeuter erfolgreich ist, bedarf es natürlich der 
größten Grausamkeit und bestialischer Unterdrückung, sind Meere 
von Blut nötig, durch die die Menschheit im Zustand der Sklaverei, 
der Leibeigenschaft, der Lohnarbeit denn auch watet. 
Weiter. Beim Übergang vom Kapitalismus zum Kommunismus ist 
die Unterdrückung noch notwendig, aber schon ist es eine Unter 
drückung der Minderheit der Ausbeuter durch die Mehrheit der 
Ausgebeuteten. Ein besonderer Apparat, eine besondere Unter 
drückungsmaschine, ein „Staat" ist noch notwendig, aber es ist be 
reits ein Übergangsstaat, kein Staat im eigentlichen Sinne mehr, 
denn die Niederhaltung der Minderheit der Ausbeuter durch die
	        
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