Er hat eine wahre Einigungswut von jeher aus der bürgerlichen De
mokratie mit herübergenommen und behalten.
Daß die Lassalleaner kamen weil sie mußten, weil ihre ganze
Partei in Stücke ging, weil ihre Führer Lumpen oder Esel waren,
denen die Massen nicht mehr folgen wollten, das kann in der ge
wählten milden Form heute gesagt werden. Ihre „stramme Organisa
tion" endigte naturgemäß in vollständiger Auflösung. Also lächer
lich, wenn Liebknecht die en bloc Annahme der Lassalleschen
Glaubensartikel damit entschuldigt, daß die Lassalleaner ihre
stramme Organisation geopfert — da war nichts mehr zu opfern!
Du wunderst Dich, woher die unklaren und verworrenen Phrasen
im Programm stammen? Aber die sind ja alle gerade der leibhaftige
Liebknecht, wegen deren wir uns mit ihm jahrelang herumstritten
und für die er schwärmt. Er ist theoretisch stets unklar gewesen, und
unsere scharfe Formulierung ist ihm noch heute ein Greuel. Dagegen
tönende' Phrasen, wobei man sich alles' mögliche öder auch nichts
denken kann, liebt er als alter Volksparteiler noch heute. Wenn
damals unklare Franzosen, Engländer, Amerikaner von „Befreiung
der Arbeit" statt der Arbeiterklasse sprachen, weil sfe’s nicht besser
wußten, und wenn- selbst in den Aktenstücken der Internationale stel
lenweise die . Sprache der Leute geredet werden mußte, so war dies
Grund genug für Liebknecht, die Ausdrucksweise der deutschen Partei
gewaltsam auf denselben überwundenen Standpunkt zurückzuschrau
ben. Und man kann keineswegs sagen, „wider besseres Wissen", denn
er wußte es wirklich nicht besser, und ich bin nicht sicher, ob das
nicht auch heute noch gilt. Jedenfalls fällt er noch heute alle finger
lang in die alte verschwommene Ausdrucksweise zurück — sie ist
allerdings rhetorisch leichter zu verwenden. Und da ihm an den de
mokratischen Grundforderungen, die er zu verstehen glaubte, sicher
mindestens ebensoviel lag als an den ökonomischen Sätzen, die er
nicht klar verstand, so war er sicher ehrlich, wenn er bei Einhand
lung der demokratischen Stapelartikel gegen die Lassalleschen Dog
men ein brillantes Geschäft gemacht zu haben glaubte.
Was die Angriffe auf Lassalle angeht, so waren mir diese mit
das Wichtigste, wie ich Euch gesagt. Durch Annahme aller wesent
lich Lassalleschen ökonomischen Phrasen und Forderungen waren
die Eisenacher tatsächlich Lassalleaner geworden, wenigstens dem
Programm nach Die Lassalleaner hatten nichts, aber auch gar nichts
geopfert, was sie hätten halten können. Um den Sieg der letzteren zu