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empfindlich, und im Handeln etwas weniger — preußisch zu sein.
Ihr — die Partei — braucht die sozialistische Wissenschaft und diese
kann nicht leben ohne Freiheit der Bewegung. Da muß man die
Unannehmlichkeiten in den Kauf nehmen, und man tut's am besten
, mit Anstand, ohne zu zucken. Eine, auch nur lockere, Spannung,
geschweige ein Riß zwischen der deutschen Partei und der deutschen
sozialistischen Wissenschaft wäre doch ein Pech und eine Blamage
sondergleichen. Daß der Vorstand resp. Du persönlich einen bedeuten
den moralischen Einfluß auf die „Neue Zeit“, und auf alles auch sonst
Erscheinende, behält und behalten muß, ist selbstredend. Aber das
muß Euch auch genügen und kann es. Im „Vorwärts" wird immer
geprahlt mit der unantastbaren Freiheit der Diskussion, aber zu mer
ken ist davon nicht viel. Ihr wißt gar nicht, wie eigentümlich solche
Neigung zu Gewaltmaßregeln hier im Ausland einen anmutet, wo
man gewohnt ist, die ältesten Parteichefs innerhalb der eigenen Partei
gehörig zur Rechenschaft gezogen zu sehen (z. B. die Tory-Regierung
durch den Lord Randolph Churchill). Und dann dürft Ihr doch nicht
vergessen, daß die Disziplin in einer großen Partei keineswegs so
straff sein kann als in einer kleinen Sekte und daß das Sozialisten
gesetz, das Lassalleaner und Eisenacher in eins geschmiedet (nach
Liebknecht hat das allerdings sein Prachtprogramm getan!) und
solchen engen Zusammenhalt nötig machte, nicht mehr existiert.
Uff! So, dieser alte Kram wäre abgeschüttelt und jetzt von was
anderem...
Also grüß Deine Frau, Paul 1 , Fischer, Liebknecht und tutti quanti
bestens von Deinem
F. E.
1 Gemeint iot Paul Singer. Die Red.