Full text: Kritik des Gothaer Programms

64 
empfindlich, und im Handeln etwas weniger — preußisch zu sein. 
Ihr — die Partei — braucht die sozialistische Wissenschaft und diese 
kann nicht leben ohne Freiheit der Bewegung. Da muß man die 
Unannehmlichkeiten in den Kauf nehmen, und man tut's am besten 
, mit Anstand, ohne zu zucken. Eine, auch nur lockere, Spannung, 
geschweige ein Riß zwischen der deutschen Partei und der deutschen 
sozialistischen Wissenschaft wäre doch ein Pech und eine Blamage 
sondergleichen. Daß der Vorstand resp. Du persönlich einen bedeuten 
den moralischen Einfluß auf die „Neue Zeit“, und auf alles auch sonst 
Erscheinende, behält und behalten muß, ist selbstredend. Aber das 
muß Euch auch genügen und kann es. Im „Vorwärts" wird immer 
geprahlt mit der unantastbaren Freiheit der Diskussion, aber zu mer 
ken ist davon nicht viel. Ihr wißt gar nicht, wie eigentümlich solche 
Neigung zu Gewaltmaßregeln hier im Ausland einen anmutet, wo 
man gewohnt ist, die ältesten Parteichefs innerhalb der eigenen Partei 
gehörig zur Rechenschaft gezogen zu sehen (z. B. die Tory-Regierung 
durch den Lord Randolph Churchill). Und dann dürft Ihr doch nicht 
vergessen, daß die Disziplin in einer großen Partei keineswegs so 
straff sein kann als in einer kleinen Sekte und daß das Sozialisten 
gesetz, das Lassalleaner und Eisenacher in eins geschmiedet (nach 
Liebknecht hat das allerdings sein Prachtprogramm getan!) und 
solchen engen Zusammenhalt nötig machte, nicht mehr existiert. 
Uff! So, dieser alte Kram wäre abgeschüttelt und jetzt von was 
anderem... 
Also grüß Deine Frau, Paul 1 , Fischer, Liebknecht und tutti quanti 
bestens von Deinem 
F. E. 
1 Gemeint iot Paul Singer. Die Red.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.