Full text: Die geistige Wendung des Maschinenzeitalters

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stigen Ausciruckswillens 1 ). Noch etwa 1912 konnte ein klassisches 
Drama, ein klassischer Roman als direkter Ausdruck eigener gei 
stiger Problematik gehört und gelesen werden. Heute ist das gleiche 
eine historische Aufgabe geworden, die natürlich ihrerseits auch 
sehr wichtig ist, ja eigentlich gerade durch diesen Einschnitt in 
unserem öffentlichen Leben einen neuen Anreiz bekommen hat. 
Aber der geradlinige Zugang zum Schriftdeutsch der Vergangen 
heit ist endgültig verloren. Man braucht dazu heute historische 
Einfühlung. Die Erziehung zum Sprechen, zur mündlichen Rede 
weise wird in der neuen Schule deswegen mit Recht in den Vorder 
grund gestellt vor der Erziehung zum Schriftdeutsch und zum 
Buch. 
Das Sprechen mit den Zeitgenossen und das Hörenkönnen der 
selben rückt deutlich In den Mittelpunkt. An dieser Stelle Ist die 
grundsätzliche Bedeutung der Presse für die künftige Weiter 
bildung der öffentlichen Meinung zu erwähnen. Ganz schroff aus 
gedrückt: Zeitung steht heute vor Literatur. Und dabei handelt 
es sich nicht im geringsten um eine Unterschätzung klassischen 
Geistesgutes. Im Gegenteil. Über den geistigen Wert der sprach 
lichen Werke, die durch den Filter der Geschichte ihre Bedeutung 
bis in die Gegenwart gewahrt haben, kann kein Zweifel sein. 
Aber wir haben keinen unmittelbaren Zugang mehr dazu. Wir 
müssen uns diesen erst erarbeiten. Diese geistigen Werte der 
klassischen Literatur sind nur noch durch strenge gemeinsame 
Übung zu erschließen. Man kann sie nicht mehr einfach verstehen 
aus der Kenntnis der heutigen Sprache heraus. Es werden nicht 
mehr alle Zugang finden zu den Werten der klassischen Literatur. 
Dagegen alle Zeitgenossen sind an der Bildung einer öffentlichen 
Meinung verantwortlich mit beteiligt und müssen sich also, ob sie 
wollen oder nicht, mit der Presse, aber auch mit allen anderen 
Mitteln der öffentlichen Meinungsbildung, also etwa rmt dem Rund 
funk, mit dem Reklamewesen, positiv und aktiv auseinandersetzen. 
1 ) Vgl. Weniger, „Die Erziehung“, Oktober 1929. Aufsatz über die Kriegs 
literatur, der alles Wesentliche daraus deutet.
	        
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